15 Jahre BMW Welt in München

Fotos: BMW Group

Die schnöde Auslieferung von Neuwagen ist seit gut dreißig Jahren einer immer profssionelleren Inszenierung gewichen. Ob VW Autostadt, Audi Forum Ingolstadt oder BMW Welt – die Kfz-Hersteller haben hybride Auslieferungszentren geschaffen, die so viel mehr sind als reine Orte der Automobilabholung. Besuchern wird eine Mischung aus Erlebnis, Bildung und Kultur, Markenpräsentation sowie Architektur geboten.

Besonders futuristisch mutet die im Oktober 2007 nach vierjähriger Bauzeit eröffnete BMW Welt in München an. Hier tritt das Unternehmen laut eigener Darstellung mit seinen Kunden, Freunden, Nachbarn und Besuchern aus aller Welt in den Dialog – eine Stätte der Begegnung und des Wandels, ein offener Treffpunkt. Die kühne Gebäudekonstruktion soll den Anspruch von BMW auf Dynamik und technischen Fortschritt verkörpern.

Die BMW Welt ist ein futuristischer Blickfang.
Der Anblick der BMW Welt erinnert manche an einen Tornado, der eine Wolke hinter sich herzieht.

Harmonisch fügt sich das Bauwerk in die Umgebung ein; in direkter Nachbarschaft zum Olympiapark und bestehenden BMW Gebäuden. Rund 25.000 m² groß ist das Areal, auf der die BMW Welt steht. Sie erstreckt sich über eine Länge von circa 180 Metern, hat eine Breite von bis zu 130 Metern und geht 28 Meter in die Höhe. Längst hat sich das Markenzentrum der BMW Group zu einem Wahrzeichen der Stadt München entwickelt. Neben der zentralen Ausstellungsfläche, der Neuwagenabholung, Gastronomie und Shops, hat sich die BMW Welt als Eventlocation etabliert. Wurde bei der Planung von rund 850.000 Besuchern jährlich ausgegangen, so lockte die BMW Welt in der Vor-Corona-Zeit die bis zu dreieinhalbfache Besucherzahl an.

Das Konzept

Das mit der Planung beauftragte Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au schreibt in der Projektbeschreibung:

„Eine der zentralen Entwurfsideen für den BMW-Neubau war es, die bestehende Konfiguration von BMW-Turm und Museum um ein zusätzliches Element zu einem räumlichen, ideellen und identitätsstiftenden architektonischen Ensemble zu erweitern.“ Der eingereichte und letztlich auch umgesetzte Entwurfsvorschlag bestand aus einer großen transparenten Halle mit skulpturalem Dach und einem Doppelkegel.

Die Umsetzung

Was sich anfangs unspektakulär liest, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als echter Blickfang. Aus dem 28 Meter in die Höhe ragenden Doppelkegel entspringt eine 16.000 m² große Dachwolke. Sie scheint über dem Gebäude zu schweben. Dieser Eindruck entsteht durch die dreidimensional geschwungene Form und wird verstärkt durch den Einsatz von lediglich 11 sichtbaren Pendelstützen als Dachträger. Für ein besseres Verständnis wird gerne der Markusplatz aus Venedig als Vergleich hinzugezogen: Er hätte ebenso Platz unter der Dachkonstruktion wie auch der Airbus 380.

Der Durchmesser des unteren Doppelkegels beträgt 35 Meter. Mit zunehmender Höhe nimmt der Durchmesser ab und beträgt beim sogenannten Taillenschnitt auf etwa 12 Metern Höhe nur noch rund 18 Meter. Der nun folgende obere Doppelkegel misst an seiner breitesten Stelle 44 Meter und endet in einem durchgehenden Ringträger, bevor er dann ins Regeldach übergeht. Der Ringträger soll die Last des Dachs gleichmäßig verteilen und über die Außenfassade in den Boden ableiten. Auch wenn Dach und Doppelkegel statisch gesehen eine Einheit bilden, so ist der Doppelkegel, dessen Fläche circa 2.839 m² beträgt, gleichzeitig eine Haupttragstützen der Dachkonstruktion.

Die Außenhülle des Doppelkegels ist verglast. 900 verschiedene Glaselemente wurden allein hierfür gefertigt. Ihre Konstruktion besteht aus Dreiecksfeldern, die der vom Architekten vorgegebenen Geometrie folgen. Teilweise sind in einem Abstand von 300 bis 1.200 mm vor der Verglasung Edelstahllochbleche aus Edelstahl 1.4404 angebracht. Sie dienen als Sonnenschutz.

Der Clou der Fassade sind die großen Fensterflächen, welche den Doppelkegel durch ihre gläserne Hüllfläche ohne zusätzliche Beheizung in thermische Behaglichkeit versetzen.

BMW Welt: Die Umsetzung des Doppelkegels
Der Doppelkegel glänzt mit schlanker Taille.
Der Clou der Fassade der BMW Welt
Der Clou der Fassade sind die großen Fensterflächen, welche den Doppelkegel durch ihre gläserne Hüllfläche ohne zusätzliche Beheizung in thermische Behaglichkeit versetzen.

Im Winter verhindert die Fassade einen Kaltluftabfall an den Glaswänden sowie die Bildung von Kondenswasser am gläsernen Dach. Im Sommer wird die Stahlfassade zur Kühlwand, die dem Aufheizen der Raumluft vorbeugt. Die geschweißten Stahlprofile, die jeweils mit einer individuellen Schablone angefertigt wurden, durften bei der Konstruktion nur maximal zwei Millimeter von den Vorgaben abweichen. Da die Anmutung einer filigranen Konstruktion einzuhalten war, verwendete die ausführende Josef Gartner GmbH aus Gundelfingen Pfosten und Riegel aus Rechteckhohlprofilen in den Maßen 300/100 mm. Für die Diagonalen wurden Rechteckhohlprofile in den Maßen 250/100 mm eingesetzt.

30 Monate – von November 2004 bis April 2007 – dauerte die Fassadenmontage. Die Raumstruktur der Doppelkegelfassade wurde von der Josef Gartner GmbH in der Werkstatt in Gundelfingen mittels Schablonen aufgebaut und vormontiert. Die Elemente wurden dann nachts mit Sondertransporten an die Baustelle gefahren, vom LKW gehoben und direkt an die vorgesehene Stelle montiert.

Das schwebend anmutende Dach wird nach unten von 15.000 m² Edelstahllochblechen abgeschlossen. Hierfür wurden rund 5.000 Lochbleche aus Edelstahl 1.4404 perlgestrahlt in einer Stärke von 2 mm verwendet. Wie die Josef Gartner GmbH berichtete, gleicht kein Blech dem anderen.

Für die Fassade der Dachstirne wurde im Außenbereich eine Fläche von etwa 2.300 m² mit glasperlgestrahltem Edelstahllochblech in einer Blechdicke von 3 mm verkleidet. Im Innenbereich wurde auf einer Fläche von circa 800 m² Glattblech verwendet.

Auf dem Dach der BMW Welt wurde zudem eine Photovoltaikanlage mit einer Fläche von rund 6.300 m² zur Energiegewinnung installiert.

Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.