BAM und EnBW testen Korrosionsschutz auf hoher See

Beim beschleunigten Ausbau der Windenergie kommt dem Offshore-Bereich eine besondere Bedeutung zu. Auf hoher See gefährdet jedoch insbesondere Korrosion die Sicherheit und Langlebigkeit der Anlagen. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat jetzt zusammen mit der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) eine einzigartige Versuchskampagne gestartet, um die Entwicklung von Schutzsystemen voranzutreiben.

Moderne Offshore-Windparks sollen, um möglichst wirtschaftlich zu sein, 25 Jahre und länger in Betrieb bleiben. Doch auf hoher See herrschen extreme Bedingungen: Korrosion, verstärkt durch die maritime Witterung, setzt den bis zu 250 Meter hohen Anlagen stark zu. Betroffen von der sogenannten „atmosphärischen“ Korrosion sind alle metallischen Teile oberhalb der Wasserlinie. Dort sind gleichzeitig die Schutzmöglichkeiten besonders begrenzt.

„Die vielen Faktoren, die auf das Phänomen wirken, sind trotz langer Forschung noch nicht hinreichend verstanden. Auch bei bekannten Werkstoffsystemen zeigen sich immer wieder unerwartete Probleme mit Korrosion und sie erweisen sich als weniger langlebig als erhofft“, erklärt Martin Babutzka aus dem Kompetenzzentrum Wind@BAM. „Das liegt auch daran, dass Prognosen zur Dauerhaftigkeit von Materialien zumeist auf Kurzzeitprüfungen im Labor oder Simulationen in Klimakammern beruhen. Belastbare Aussagen zum Korrosionsverhalten unter Realbedingungen lassen sich auf dieser Basis nicht treffen. Oft führen die Ergebnisse sogar zu falschen Annahmen und es werden in der Folge Konstruktionselemente zu konservativ oder auch zu riskant ausgelegt, was wiederum die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Anlagen beeinträchtigt.“

Wie das BAM aktuell mitteilte, startet Babutzka zusammen mit EnBW einen in Deutschland bisher einzigartigen Versuch, um die atmosphärische Korrosion im Offshore-Bereich unter Realbedingungen zu erforschen. Der Korrosionsexperte habe zusammen mit EnBW eine Bewitterungskampagne konzipiert, bei der insgesamt 17 verschiedene Werkstoffe und Korrosionsschutzsysteme direkt auf hoher See auf ihre Beständigkeit hin geprüft werden. Die Ergebnisse sollen für die Industrie nutzbar gemacht werden.

Für die Testkampagne habe die Firma Wilhelm Modersohn GmbH & Co. KG einen rund sechs mal zwei Meter großen Bewitterungskasten gebaut. In dieser offenen containerartigen Struktur wurden die Werkstoffproben auf Gerüsten angebracht.

Im Sommer habe ein Versorgungsschiff die ca. drei Tonnen schwere Konstruktion hinaus zum EnBW-Windpark „Hohe See“, 100 Kilometer nordwestlich von Helgoland, transportiert. Dort wurde sie mit einem Kran auf eine Verteilerstation gehievt. Auf der zentralen Plattform inmitten von 71 Windturbinen sind die Materialproben in den kommenden drei Jahren Wind und Wetter ausgesetzt.

Die Testkampagne von BAM und EnBW sei die bisher umfassendste ihrer Art in Deutschland. Geprüft werden laut Presseinformation Materialproben aus Stahl, Zink, Kupfer und Aluminium, Materialvarianten mit innovativen Beschichtungen und Zinküberzügen sowie nichtrostende Stähle in unterschiedlichen Widerstandsklassen. Sämtliche Proben seien von führenden Unternehmen und Verbänden aus dem Bereich Stahlbau sowie der Verzinkerindustrie zur Verfügung gestellt worden. In Abständen von jeweils einem Jahr sollen Proben entnommen und auf Korrosion untersucht werden.

„Die Kampagne erlaubt es uns erstmals, ein umfassendes Bild zu den Korrosionsbedingungen auf hoher See sowie wirklich belastbare Daten zur Dauerhaftigkeit einzelner Werkstoffe zu gewinnen. Die Ergebnisse sollen es Unternehmen wie EnBW in Zukunft ermöglichen, den Korrosionsschutz optimal auszulegen. Wir wollen damit ein wissenschaftliches Fundament legen, der wirtschaftliche, aber auch ökologische Aspekte berücksichtigt“, so Babutzka.

Vorheriger ArtikelSwiss Steel Group verzeichnet erwarteten Rückgang der Aktivität im Q3 2022
Nächster ArtikelWellenenergie: 1 Megawatt-Demonstrationsprojekt WEDUSEA gestartet
Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.