Die Bedeutung der Elektrolichtbogenofen-Route in der Stahlherstellung

Fotos: Swiss Steel Group

Die Stahlindustrie steht vor einer epochalen Herausforderung: Der Dekarbonisierung. Angesichts des wachsenden Drucks zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und der Notwendigkeit, den Klimawandel einzudämmen, müssen Stahlhersteller alternative Wege finden, um ihre Produktion umweltfreundlicher zu gestalten. In diesem Kontext gewinnt die Elektrolichtbogenofen-Route zunehmend an Bedeutung und verspricht eine nachhaltigere Zukunft für die Stahlindustrie.

Ein Gastbeitrag der Swiss Steel Group

Die Bedeutung der Elektrolichtbogenofen-Route in der Stahlherstellung
Laut der Swiss Steel Group ist die Qualität von Green Steel Climate +, dass ihr CO2-Fußabdruck bis zu 83 Prozent unter dem Durchschnitt der weltweiten Stahlerzeugung liege.

Traditionell wurde Stahl hauptsächlich durch die Hochofen-Route hergestellt, die auf der Verhüttung von Eisenerz mit Koks basiert. Dieser Prozess ist jedoch äußerst energieintensiv und führt zu erheblichen CO2-Emissionen. Als Antwort darauf hat die Elektrolichtbogenofen-Route (EAF Electric Arc Furnace) in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Dieser immer noch innovative Ansatz (bereits 1878 wurden erste Patente dazu angemeldet) nutzt Elektrizität, um Stahl aus Schrott oder direkt reduziertem Eisen herzustellen, wodurch der CO2-Ausstoß drastisch verringert wird.

Diesen Weg muss die Hochofen Route noch gehen und benötigt für diese Transformation erhebliche Investitionen, die nur mit

staatlicher Unterstützung machbar sind. In industriell großformatigem Ansatz ist die angestrebte Methode noch nicht erprobt und ob damit die erforderlichen Qualitäten zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden können wird sich zeigen. In kleinerem Umfang, in den sogenannten Direktreduktionsanlagen, funktioniert es. Hier wird das Eisenerz durch Erdgas reduziert, zukünftig soll das grüner Wasserstoff werden, der aus heutiger Sicht zu ganz erheblichen Kosten beiträgt. Das Verfahren, die sogenannte Direktreduktion, ist seit langem bekannt und wurde in der Vergangenheit gerade wegen der enormen Kosten kaum angewandt.

An dieser Stelle muss man auch die Frage nach der Wettbewerbsverzerrung stellen? Nachdem die Hochofenroute sehr hohe Subventionen erhält, um in die Lage versetzt zu werden, eine Technologie zu nutzen, die die Elektrolichtbogenofen-Route seit langem erfolgreich nutzt, stellt sich die Frage nach dem Gleichgewicht. Auch die EAF-Route muss im Rahmen der Transformation erhebliche Kosten schultern, um weiter ihre herausragende Rolle in der CO2 Bilanz der Stahl herstellenden Unternehmen zu behalten und auszubauen und so ihren Beitrag zur Reduzierung von Emissionen zu leisten. Auch auf dieser Route darf und will man nicht stehen bleiben und es muss die Frage erlaubt sein, warum seitens des Staates nicht gerade auch die gefördert werden, die technologisch die Nase vorne haben?

Durch den Einsatz von Elektrolichtbogenöfen in den Werken der Swiss Steel Group in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, USA und Kanada, können sie ihren Stahl ohne den Einsatz von Kohle oder Koks herstellen, was zu erheblichen Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen führt. Lediglich die Elektroden sind aus Grafit und die Schlacke wird mit Kohlenstoffdraht aufgeschäumt. Aber auch an dieser Stelle arbeitet man bereits an Emissionssparenden Innovationen. Wie beispielsweise der Elektrodenkühlung und das Aufschäumen mittels recyceltem Plastik. Darüber hinaus ermöglicht die Flexibilität dieses Prozesses eine effiziente Nutzung von recyceltem Schrott als Rohstoff, was zur Kreislaufwirtschaft beiträgt und die Abhängigkeit von Eisenerz aus umweltschädlichem Tagebau reduziert. So wurden z.B. im Jahr 2022 von dem Unternehmen 2,0 Millionen Tonnen Schrott recycelt.

Ein großer Vorteil der Flexibilität der Elektrolichtbogenofen-Route ist, dass man den Ofen abschalten kann, während ein Hochofen 24/7 laufen muss. So kann man auf schwankende Nachfrage und Energiesituationen reagieren und die Produktion anpassen. Das gilt auch für Überschuss im Netz. So kann die EAF-Route das Netz auch von Spitzen entlasten, indem sie ihre Öfen gezielt einsetzt. Ein Punkt, der es Wert ist von der Öffentlichkeit noch viel deutlicher gesehen und bewertet zu werden.

Die Bedeutung der Elektrolichtbogenofen-Route in der Stahlherstellung
Die Stangen im Lager.

Schrott, ein wertvoller Rohstoff

Schrott ist die Basis der Elektrolichtbogenofen-Route und damit ein sehr wichtiger und wertvoller Rohstoff. Stahl wird nicht verbraucht, sondern immer wieder neu genutzt. Die Kreislaufwirtschaft führt zu einer höheren Ressourceneffizienz. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Region wie Europa nicht Schrottreserven genauso anlegt, wie wir es auch mit anderen, systemrelevanten Rohstoffen tun. Dies wäre auch eine Antwort auf den steigenden Schrottbedarf in Europa und auf dem Weltmarkt und könnte zu etwas mehr Preisstabilität beitragen.

Die Bedeutung der Elektrolichtbogenofen-Route in der Stahlherstellung
Beim Herstellungsprozess geht es heiß her.

Im Schrott liegt aber auch eine weitere große Möglichkeit zur Reduktion des CO2 Footprints bei der Herstellung hochlegierter und rostfreier Stähle. Man geht zunehmend mehr den Weg der Abkehr von reinen Primärlegierungen wie Ferronickel, Ferromangan oder Ferromolybdän hin zu von vornherein hochlegiertem Schrott. Gerade bei Hochleistungsstählen liegt der Anteil der Legierungszuschläge bisweilen bei über 30 Prozent. Die sind wiederum in ihrer Beschaffung besonders Energie- und CO2-intensiv.

Ziel ist das weltweit erste „zirkuläre“ Stahlwerk, in dem eigene Sekundärlegierungen aus Reststoffprodukten wie Batterien, Katalysatoren und Ähnlichem hergestellt werden. So macht man sich auch unabhängig von Primärlegierungs-Lieferungen aus politisch manchmal instabilen Förderländern.

Entsprechend bedeutsam wird es daher, künftig vermehrt mit Qualitätsschrott anstelle von Reinmetallen zu legieren. Ganz vermeiden lässt sich der Einsatz von Primärlegierungen nicht, insbesondere für einige Spezialgüten mit speziellen Anforderungen. Um dennoch die Scope 3 Emissionen weiter zu senken, braucht es sowohl metallurgischer als auch recyclingtechnischer Innovationen.

Der Energie Mix macht es

In der Regel verwenden die Stahlwerke der Elektrolichtbogenofen-Route den Energie Mix, der ihnen in ihrer jeweiligen Umgebung zu vertretbaren Preisen angeboten wird. Man ist aber auch in der Lage ganz gezielt nur Strom aus regenerativen Energiequellen einzukaufen, was wiederum eine drastische Auswirkung auf den CO2 Footprint des Materials hat, dass in diesen Stahlwerken hergestellt wird.

Die Entscheidung der Swiss Steel Group, auf die Elektrolichtbogenofen-Route zu setzen, spiegelt den Wandel in der gesamten Stahlindustrie wider. Immer mehr Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, ihre Produktionsprozesse zu überdenken und umweltfreundlichere Alternativen zu verfolgen. „Dieser Paradigmenwechsel ist nicht nur eine Reaktion auf regulatorische Anforderungen, sondern auch ein Akt der unternehmerischen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und zukünftigen Generationen“, so Frank Koch, CEO der Swiss Steel Group. Um die strategische Entscheidung zur Dekarbonisierung zu untermauern hat man sich daher auch den Zielsetzungen der Science Based Targets Initiative (SBTi) angeschlossen mit der Zielsetzung in diesem Jahr den Fahrplan zu weiteren Dekarbonisierung zu validieren.

Die Swiss Steel Group hat sich auch dem Carbon Disclosure Project angeschlossen. Das CDP-Projekt ist eine im Jahr 2000 in London gegründete Non Profit Organisation. Ihr Ziel ist es, dass Unternehmen sich gegenseitig Transparenz über ihre Emissionen verschaffen, um möglichst genaue Werte über die gesamte Wertschöpfungskette ermitteln zu können.

Man ist also schon weit vorangekommen bei der Elektrolichtbogenofen-Route. Tatsächlich ist sie im Moment die einzige, bei der man bereits verlässlich Green Steel für jede Anwendung produzieren und jeden Tag auch Green Steel kaufen kann, aber zur Erreichung der weiteren Ziele, gibt es noch viel zu tun.

Insbesondere die Verfügbarkeit von erschwinglicher und nachhaltiger Elektrizität sowie die Entwicklung leistungsfähigerer Elektrolichtbogenofen-Technologien sind entscheidende Faktoren für ihren langfristigen Erfolg. Die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit ist das Gebot der Stunde. Da können sich kurzfristige Veränderungen bei den Netzentgelten schon einmal heftig auswirken. Hier könnten beispielsweise PPA`s von Konsortien einen Lösungsansatz darstellen. Die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Industrie und Forschungseinrichtungen ist in jedem Fall unerlässlich, um diese und andere Hindernisse zu überwinden und die Dekarbonisierung der Stahlindustrie voranzutreiben.

Insgesamt steht die Elektrolichtbogenofen-Route für einen vielversprechenden Weg zur Dekarbonisierung der Stahlherstellung. Momentan ist sie absolut führend.  Durch den Einsatz von innovativen Technologien und nachhaltigen Praktiken werden Stahlhersteller wie die Swiss Steel Group eine führende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels übernehmen. Es liegt nun an der gesamten Branche, diesen Weg konsequent zu verfolgen und eine nachhaltige Zukunft für die Stahlindustrie zu gestalten.

Sonja Wingels
Sonja ist Redakteurin bei der Edelstahl Aktuell. Nach ihrem Studium der Psychologie an der HHU in Düsseldorf und selbstständiger Arbeit als Content Creator nutzt sie nun diese Erfahrungen, um zum Erfolg der Zeitung beizutragen und ihr Fachwissen in der Edelstahlbranche zu vertiefen.

Über den Artikel der Woche

Jede Woche beleuchten wir im Artikel der Woche ein spannendes Thema für die Edelstahlbranche. Weitere Artikel finden Sie auch in unserer Zeitschrift Edelstahl Aktuell. Um diese und viele weitere Artikel (fast) monatlich zu lesen, abonnieren Sie unsere Zeitschrift (erhältlich in Print und digital).

Möchten Sie als Autor mitwirken? Bitte kontaktieren Sie Sonja Wingels.

Jede Woche teilen wir einen neuen Artikel mit unserer Edelstahl Community. Machen Sie mit und lassen Sie uns Ihren Artikel auf Edelstahl Aktuell online und in gedruckter Form veröffentlichen.

Vorheriger ArtikelPyrum Innovations AG: Neues Werk in Griechenland
Nächster ArtikelEurotechni und Alleima: Partnerschaft für Messerstahl
Sonja Wingels
Sonja ist Redakteurin bei der Edelstahl Aktuell. Nach ihrem Studium der Psychologie an der HHU in Düsseldorf und selbstständiger Arbeit als Content Creator nutzt sie nun diese Erfahrungen, um zum Erfolg der Zeitung beizutragen und ihr Fachwissen in der Edelstahlbranche zu vertiefen.