Ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat eine Refraktärmetall-Legierung mit bislang unerreichten Eigenschaften entwickelt. Die neuartige Kombination aus Chrom, Molybdän und Silizium ist laut Pressemitteilung bei Raumtemperatur verformbar, bleibt mit einer Schmelztemperatur um 2 000 Grad Celsius auch bei großer Hitze stabil und ist dabei gleichzeitig oxidationsbeständig. Das Material zeige großes Potenzial für den Einsatz in energieeffizienten Flugzeugantrieben und Gasturbinen.
Hochtemperaturbeständige metallische Werkstoffe werden in Flugzeugtriebwerken, Gasturbinen, Röntgengeräten und vielen weiteren technischen Anwendungen benötigt. Am robustesten gegenüber hohen Temperaturen seien Refraktärmetalle wie Wolfram, Molybdän und Chrom, die erst ab ungefähr 2 000 Grad Celsius schmelzen. Ihre praktische Anwendung stoße jedoch an Grenzen: Sie seien bei Raumtemperatur spröde und beginnen bei Sauerstoffkontakt schon ab 600 bis 700 Grad Celsius so stark zu oxidieren, dass sie binnen kürzester Zeit komplett versagen. Deshalb ließen sie sich – beispielsweise in Form von Röntgendrehanoden in der Medizintechnik – nur unter technisch aufwendigen Vakuumbedingungen einsetzen.
Aufgrund solcher Herausforderungen würden seit Jahrzehnten Superlegierungen auf der Basis von Nickel für Bauteile eingesetzt, die bei hohen Temperaturen in Kontakt mit Luft oder Verbrennungsgasen kämen. Diese seien beispielsweise der Standardwerkstoff in Gasturbinen. „Die vorhandenen Superlegierungen kombinieren verschiedene metallische Elemente, um mehrere Eigenschaften zu vereinen. Sie sind bei Raumtemperatur verformbar, bei hohen Temperaturen fest und oxidationsbeständig“, so Professor Martin Heilmaier vom Institut für Angewandte Materialien – Werkstoffkunde des KIT. „Allerdings – und hier liegt der Haken – nur bei Betriebstemperaturen, also in einem Bereich, in dem sie sicher eingesetzt werden können, bis maximal 1 100 Grad Celsius. Das ist zu wenig, um das volle Potenzial für mehr Effizienz in Turbinen oder anderen Hochtemperaturanwendungen auszuschöpfen. Denn in Verbrennungsprozessen steigt der Wirkungsgrad mit der Temperatur.”
Chance für Technologiesprung
Bei dieser Beschränkung der heute verfügbaren Werkstoffe habe Heilmaiers Arbeitsgruppe angesetzt. Innerhalb des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenkollegs „Materials Compounds from Composite Materials for Applications in Extreme Conditions“ (MatCom-ComMat) sei es den Forschenden gelungen, eine neue Legierung aus Chrom, Molybdän und Silizium zu entwickeln. Diese Refraktärmetall-Legierung, an deren Entdeckung am KIT auch Dr. Alexander Kauffmann, inzwischen Professor an der Ruhr-Universität Bochum, maßgeblich beteiligt gewesen sei, biete bisher unerreichte Eigenschaften. „Sie ist bei Raumtemperatur verformbar, schmilzt erst bei etwa 2 000 Grad Celsius und oxidiert – im Gegensatz zu bislang bekannten Refraktärlegierungen – selbst im kritischen Temperaturbereich nur langsam. Dadurch macht diese Legierung Bauteile für Einsatztemperaturen deutlich höher als 1 100 Grad Celsius denkbar. Das Forschungsergebnis hat damit Potenzial für einen echten Technologiesprung“, so Kauffmann – auch, wenn trotz großer Fortschritte im Bereich der computergestützten Materialentwicklung die Oxidationsbeständigkeit und Verformbarkeit derzeit noch nicht in ausreichendem Maße für ein konkretes Design neuer Werkstoffe vorhergesagt werden könnten.
Mehr Effizienz, weniger Verbrauch
„In einer Turbine kann schon ein Temperaturplus von 100 Grad Celsius den Brennstoffverbrauch um rund fünf Prozent senken“, so Heilmaier. Das ist besonders für die Luftfahrt relevant, weil elektrisch angetriebene Flugzeuge auch in den kommenden Jahrzehnten kaum für Langstrecken geeignet sein werden und es darauf ankommen wird, den Treibstoffverbrauch deutlich zu senken. Auch stationäre Gasturbinen in Kraftwerken könnten dank robusterer Werkstoffe mit geringerem CO₂-Ausstoß betrieben werden.
„Um die Legierung in der Industrie einzusetzen, sind noch viele Entwicklungsschritte notwendig“, so Heilmaier weiter. „Wir haben aber mit unserer Entdeckung in der Grundlagenforschung einen wichtigen Meilenstein erreicht. Darauf können nun Forschungsgruppen weltweit aufbauen.“
Originalpublikation:
Frauke Hinrichs, Georg Winkens, Lena Katharina Kramer, Gabriely Falcão, Ewa M. Hahn, Daniel Schliephake, Michael Konrad Eusterholz, Sandipan Sen, Mathias Christian Galetz, Haruyuki Inui, Alexander Kauffmann, Martin Heilmaier: A ductile chromium–molybdenum alloy resistant to high-temperature oxidation. Nature, 2025. DOI: 10.1038/s41586-025-09516-8