Sicheres Heben und Positionieren im rauen Umfeld

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Destillationskolonnen, Rührkessel oder Platten- und Rohrbündelwärmetauscher auch beim Heben und Positionieren optimal zu sichern, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Das gilt auch für die Anschlagpunkte, an denen die Hebetechnik ansetzt. Sie sind oft mit dem Bauteil verschweißt, da insbesondere Behältnisse keine andere Befestigung zulassen. In der Praxis aber weisen selbst hochwertigste Anlagenteile sehr häufig nur simple Ausbrennösen auf, die kaum Sicherheit bieten. Die weit bessere Lösung sind Anschlagpunkte aus Edelstahl.

Ein Gastbeitrag von Fabian Bihlmaier, RUD

Sicheres Heben und Positionieren im rauen Umfeld
Rohrleitung, Tanks und Kühltürme einer Ölraffinerie. | Foto: Wolfgang Jargstorff/shutterstock.com

Ein Rührkessel einer petrochemischen Anlage soll zu Wartungszecken aus seiner Position gehoben werden. Nachdem die Anschlagketten an den angeschweißten Ösen des Kessels justiert sind, verläuft das Anheben zunächst völlig planmäßig. Doch während einer sanften Schwenkbewegung bricht urplötzlich eine der Anschlagösen ab. Der Kessel sackt einseitig in die Tiefe und pendelt unkontrolliert an den verbliebenen Strängen, die dieser unbalancierten Last nicht lange standhalten können. Zwei Mitarbeiter bringen sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit, dann stürzt der tonnenschwere Edelstahlkessel aus mehreren Metern Höhe ab und beschädigt dabei einen angrenzenden Lagertank. Wie sich alsbald herausstellt, haben das ruckartige Absacken und die Überbelastung vor dem Absturz darüber hinaus auch die Krantechnik in Mitleidenschaft gezogen. Die Produktion wird in Teilen gestoppt, der Kessel muss ersetzt, der Tank repariert und der Hebekran partiell erneuert werden. Der Schaden geht am Ende in die Hunderttausende.

Anschlagpunkte-Thematik vielfach vernachlässigt

Ein unwahrscheinliches Szenario? Keineswegs. Denn gerade das Thema Anschlagpunkte wird bei Herstellern und Anwendern chemischer und petrochemischer Anlagenbestandteile noch immer vernachlässigt. Obwohl Hebevorgänge in den betreffenden Industrien zum Alltag gehören und nicht nur beim Auf- und Abbau von Anlagen, sondern auch bei Reparaturen und Routinewartungen erforderlich sind, lassen sich an Destillationskolonnen, Rührkesseln oder Platten- und Rohrbündelwärmetauschern oft nur relativ einfache Ausbrennösen entdecken. Während leistungsstarke Hebekräne und robuste Anschlagketten häufig selbstverständlich sind, führen die Anschlagpunkte eher ein Schattendasein. Hochwertige Anschlagpunkte mit klar definierten Nenntragfähigkeiten oder Sicherheitsfaktoren sowie Zertifizierungen für die jeweiligen Anwendungsbereiche sind vielerorts die Ausnahme. Stattdessen wird meist davon ausgegangen, dass auch einfache Ösen ihren Zweck erfüllen und selbst nach mehreren Jahren noch immer ein sicheres Heben der betreffenden Anlagenbestandteile ermöglichen.

Einfache Ausbrennösen als grundsätzlicher Risikofaktor

Welches Risiko sie damit eingehen, ist vielen Herstellern und Anwendern kaum bewusst. Denn die Ausbrennösen, auf deren langfristige Funktionalität sie sich verlassen, werden den Anforderungen überwiegend nicht gerecht. Auf das Gewicht der Kessel oder Kolonnen, deren sicheres Anheben sie ermöglichen sollen, sind diese aufgeschweißten Ösen oft nicht präzise, sondern allenfalls grob abgestimmt, und über eindeutig definierte Nenntragfähigkeiten oder Sicherheitsfaktoren verfügt fast keine von ihnen. Auch an Zertifizierungen ist in aller Regel nicht zu denken. Im Ergebnis werden dann hochwertige Investitionsgüter aus Edelstahl an vergleichsweise primitiven Anschlagpunkten gehoben, die kaum Sicherheit bieten. Die Deformationen, die sich bei vielen solcher Ösen nach nur einer einzigen Lastbewegung erkennen lassen, sprechen diesbezüglich Bände und sollten bereits Warnung genug sein.

Sicheres Heben und Positionieren im rauen Umfeld
Obwohl Hebevorgänge in der chemischen und petrochemischen Industrie zum Alltag gehören, lassen sich – wie hier rechts im Bild an einem Tank zur Flüssigkeitsmischung – oft nur relativ einfache Ausbrennösen entdecken. | Foto: Nordroden/shutterstock.com

Korrosion im rauen Umfeld erhöht Sicherheitsrisiken

Allenfalls abgemildert wird diese Problematik durch den Umstand, dass bei der Wahl der Anschlagpunkte im Regelfall zumindest die korrosiven Umfeldbedingungen der chemischen und petrochemischen Industrie berücksichtigt werden. Hohe Prozesstemperaturen, Heißdampf, aggressive Gase, Staub, bei Destillationskolonnen in Außenbereichen zum Teil auch Witterungseinflüsse – all diese Faktoren können auf Anlagenbestandteile und damit auch auf angeschweißte Anschlagpunkte einwirken. Simple Ausbrennösen aus minderwertigem Baustahl, wie sie in anderen Industriebereichen häufig zu finden sind, hätten solchen Bedingungen nur wenig entgegenzusetzen und würden schnell korrodieren. Aus diesem Grund wird im rauen Umfeld auch bei Ausbrennösen für gewöhnlich Edelstahl verwendet. Die Vorteile halten sich dennoch in engen Grenzen. Zwar steht nicht zu befürchten, dass Öse und Schweißverbindung korrosionsbedingt brüchig werden. Auch das Abblättern von Beschichtungen, das bei Anschlagpunkten aus Baustahl oft zu beobachten ist und das in hygienesensiblen Bereichen zum Problem werden kann, kommt bei Edelstahl-Anschlagpunkten nicht vor. Was bleibt, ist jedoch die eingeschränkte Tragfähigkeit, auch fehlt in den meisten Fällen eine offizielle Zulassung. Verlässt sich der Anwender unhinterfragt auf die Langzeitstabilität seiner Ausbrennöse, wird das zu Beginn skizzierte Unfallszenario daher auch dann schnell Realität, wenn die Öse aus Edelstahl gefertigt wurde.

Anschlagpunkte aus Edelstahl bieten erforderliche Sicherheit

Sicheres Heben und Positionieren im rauen Umfeld
Im Hinblick auf Arbeits- und Investitionsschutz sollten stabile Anschlagpunkte mit klar definierter Nenntragfähigkeit sowie zureichenden Sicherheitsfaktoren und Zertifizierungen die Regel sein, wie etwa der INOX-ABA von RUD – der erste starre, allseitig belastbare Anschlagpunkt aus rostfreiem Edelstahl (hier zu sehen am Edelstahltank einer Wasserreinigungsanlage). | Foto: noomcpk/shutterstock.com

Im Hinblick auf Arbeits- und Investitionsschutz ist es deshalb kaum zu verantworten, in rauen Anwendungsumgebungen der chemischen und petrochemischen Industrie auch weiterhin auf einfache Ausbrennösen zu setzen. Stattdessen sollten stabile Anschlagpunkte mit klar definierter Nenntragfähigkeit sowie zureichenden Sicherheitsfaktoren und Zertifizierungen die Regel sein. Für raue Umgebungen waren solche Anschlagpunkte allerdings lange Zeit nur eingeschränkt verfügbar, was den Umstieg erschwerte und Herstellern und Anwendern Argumente für den fortgesetzten Einsatz von Ausbrennösen lieferte. Seit RUD 2023 mit dem INOX-ABA den ersten starren, allseitig belastbaren Anschlagpunkt aus rostfreiem Edelstahl auf den Markt brachte, haben diese Argumente ihre Gültigkeit jedoch verloren. Gefertigt aus Duplexstahl 1.4462, einem höchst korrosionsresistenten austenitisch-ferritischen Chrom-Nickel-Molybdän-Stahl (PREN-Wert 30,9 bis 38,0), der auch unter den Bezeichnungen AISI 318LN und X2CrNiMoN22-5-3 bekannt ist, bieten Anschlagpunkte dieses Typs zum ersten Mal die Möglichkeit, die Vorteile hochwertiger Anschlagpunktlösungen auch im rauen Umfeld vollumfänglich zu nutzen.

Hohe Tragfähigkeit und Korrosionsbeständigkeit

Die aktuell mit Nenntragfähigkeiten von 0,8, 1,6 und 2,7 Tonnen verfügbaren und sogar für maritime Umgebungen zertifizierten INOX-ABA Anschlagpunkte sind die Edelstahl-Variante der W-ABA-Anschweißpunkte von RUD und übertragen grundlegende Eigenschaften dieses Anschlagpunkte-Typs in den Harsh-Environment-Bereich. Dazu gehören eine vierfache Sicherheit gegen Bruch, eine allseitige Belastbarkeit sowie eine erhöhte Tragfähigkeit in der Ringebene. Sie übersteigt bei den Edelstahl-Anschweißpunkten das offiziell zulässige Lastgewicht zum Teil um das Dreifache, was Lasten selbst dort noch sichert, wo andere Anschlaglösungen bereits versagen. Vor allem aber macht der INOX-ABA die Vorteile des Inox-Stahls, der aufgrund seiner Eigenschaften sehr oft in chemischen und petrochemischen Anlagen eingesetzt wird, auch im Bereich der Anschlagpunkte verfügbar. Er toleriert Umgebungstemperaturen von -40°C bis +250°C, widersteht unter anderem Heißdampf und hochgradig chloridhaltigen Flüssigkeiten und ist auch langfristig resistent gegen Lochfraß und Flächenkorrosion. Vor Unterrostung schützt ihn eine umlaufende und geschlossene Kehlnaht.

Lange Einsatzzeiträume und breites Anwendungsspektrum

Durch die hohe Korrosionsbeständigkeit von Grundmaterial und Schweißverbindung können Anschlagpunkte vom Typ INOX-ABA auch über lange Einsatzzeiträume hinweg sichere Hebe- und Positionierungsprozesse im rauen Umfeld garantieren. Zudem verursachen sie in keinem Stadium ihres Lebenszyklus

Sicheres Heben und Positionieren im rauen Umfeld
Der INOX-ABA von RUD ist aktuell mit Nenntragfähigkeiten von 0,8, 1,6 und 2,7 Tonnen verfügbar und sogar für maritime Umgebungen zertifiziert. Er bietet eine vierfache Sicherheit gegen Bruch, eine allseitige Belastbarkeit sowie eine erhöhte Tragfähigkeit in der Ringebene. Er toleriert Umgebungstemperaturen von -40°C bis +250°C, widersteht unter anderem Heißdampf und hochgradig chloridhaltigen Flüssigkeiten und ist auch langfristig resistent gegen Lochfraß und Flächenkorrosion. Vor Unterrostung schützt ihn eine umlaufende und geschlossene Kehlnaht (rechts). | Foto: RUD

Verunreinigungen durch abgelöste Beschichtungen oder Materialpartikel, was sie selbst für hygienesensible Bereiche der Lebensmittelverarbeitung qualifiziert. Wann sie aus Abnutzungsgründen schließlich doch am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind, verraten die innen- und außenliegenden Verschleißlinsen, die eine einfache und zuverlässige Prüfung der Ablegereife ermöglichen. Die magnetischen Eigenschaften des Duplex-Stahls 1.4462 erleichtern zudem die elektromagnetische Rissprüfung. Da bei INOX-ABA-Anschlagpunkten auch hochstabile Schwarz-Weiß-Verbindungen möglich sind, ist ihre Anwendung zudem keineswegs auf die Edelstahl-Oberflächen von Rührkesseln, Tanks oder Wärmetauschern beschränkt: Sie können vielmehr auch mit baustahlbasierten Anlagenteilen verschweißt und somit auf breiter Front eingesetzt werden.

In verbesserten Arbeits- und Anlagenschutz investieren

Nicht zuletzt dieses breite Einsatzspektrum verdeutlicht, dass mit Edelstahl-Anschlagpunkten ein neues Kapitel im Bereich der Hebe- und Positionierungstechnik für die chemische und petrochemische Industrie aufgeschlagen wird – ein Kapitel, das Hersteller und Anwender zugleich auch mit einem gewissen Handlungsdruck konfrontiert. Denn konnten fragwürdige Sicherheitskompromisse in der Vergangenheit zumindest bereichsweise mit fehlenden Alternativen begründet werden, so gibt es heute aufgrund der Verfügbarkeit von Edelstahl-Anschweißpunkten keine Rechtfertigung mehr dafür, nicht anwendungsübergreifend in einen verbesserten Arbeits- und Anlagenschutz zu investieren. Die korrosionsresistenten und materialstabilen Anschlagpunkte garantieren auch nach jahrelanger Nutzung noch immer unverändert ein sicheres Anheben und Positionieren von Lasten und beugen darüber hinaus unerwünschten Verunreinigungen vor – Leistungen, die eine Ausbrennöse niemals erbringen kann. Sie bieten damit exakt jene Lösung, die in Chemie und Petrochemie seit langem fehlt.

Entscheidung für Ausbrennösen fragwürdiger denn je

Wer vor diesem Hintergrund dennoch für Ausbrennösen plädiert, bewegt sich auf jeden Fall in einer Grauzone. Wurden die Ösen vom Hersteller nicht für Hebevorgänge ausgelegt und berechnet, ist ihr Einsatz sogar grundsätzlich unzulässig. Doch selbst dann, wenn solche Auslegungen und Berechnungen vorliegen, wird sich ein Anwender die Frage gefallen lassen müssen, warum er langfristige Sicherheit den kurzfristigen Einspareffekten opfert, die eine Anschlaglösung minderer Qualität ermöglicht. Denn wie schnell sich solche Einsparungen in ihr Gegenteil verkehren können, belegt eine Vielzahl von Schadensereignissen, die durch Ausbrennösen verursacht wurden und die das eingangs skizzierte Szenario exemplarisch widerspiegelt. Werden stattdessen Anschlagpunkte mit klar definierten Nenntragfähigkeiten sowie mit Sicherheitsfaktoren und Zertifizierungen eingesetzt, lassen sich die Gefahren für Mensch und Material effektiv minimieren. Zudem steht dann – eine sachgemäße Anwendung vorausgesetzt – im Schadensfall der Hersteller des Anschlagpunkts in der Verantwortung, während der Anwender den Anforderungen Genüge getan hat. In hochwertige und sichere Anschlaglösungen – in diesem Fall aus Edelstahl – zu investieren, ist insofern in jeglicher Hinsicht die bessere Investition in die Zukunft.

Sonja Wingels
Sonja ist Redakteurin bei der Edelstahl Aktuell. Nach ihrem Studium der Psychologie an der HHU in Düsseldorf und selbstständiger Arbeit als Content Creator nutzt sie nun diese Erfahrungen, um zum Erfolg der Zeitung beizutragen und ihr Fachwissen in der Edelstahlbranche zu vertiefen.

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Sonja ist Redakteurin bei der Edelstahl Aktuell. Nach ihrem Studium der Psychologie an der HHU in Düsseldorf und selbstständiger Arbeit als Content Creator nutzt sie nun diese Erfahrungen, um zum Erfolg der Zeitung beizutragen und ihr Fachwissen in der Edelstahlbranche zu vertiefen.