Materialwahl, Detailqualität und die Anforderungen alpiner Architektur
In Ischgl liegt eine Therme, die leise wirkt und sich harmonisch in die Landschaft fügt. Die Silvretta Therme scheint fast über den Bergen zu schweben. Ihre Fassade aus HFX Edelstahl zeigt einen sanften Champagnerton, das Licht streut weich, nichts flirrt, nichts blendet. Eine Architektur, die Ruhe ausstrahlt und zugleich technisch anspruchsvoll ist.
Ein Beitrag von Anett Leonhard, Edelstahl Aktuell
Im Mittelpunkt des Entwurfs steht das Wasser mit all seinen Formen – Bewegung, Strömung, Aggregatszustände. Die geschwungene Gebäudehaut übersetzt diese Idee in Metall. Das Gelände fällt ab, die Berge rahmen den Ort. Eine Fassade, die in jeder Jahreszeit Bestand hat, verlangt ein Material mit kontrollierter Oberflächenwirkung, hoher Beständigkeit und präziser Detaillierung. Hier beginnt die Geschichte der Materialwahl.
Vom Spiegelbild zur matten Präzision
Am Anfang stand die Idee einer spiegelnden Fassade. Doch in den alpinen Wintern steht die Sonne tief, Reflexionen wirken weit in den Ort. Anrainer äußerten Bedenken. Die Architekten reagierten mit großflächigen Bemusterungen verschiedener Anbieter. Elemente wurden nebeneinander montiert, fotografiert und bei wechselndem Licht verglichen. Schnell zeigte sich: Viele Oberflächen wirkten aus einem Blickwinkel matt, reflektierten jedoch stark, sobald sich die Perspektive änderte. Das Mock-up, ein Testaufbau mit verschiedenen Fassadenelementen, musste nach zwei Tagen teilweise verhüllt werden. Die Entscheidung fiel auf eine ultramatte, blendfreie Oberfläche aus HFX Edelstahl von Roofinox – und damit auf eine Lösung, die sowohl ästhetisch als auch technisch überzeugte.
Oberfläche und Farbgebung
Die Oberfläche trägt den Namen DURA-matt. Ihr Champagnerton entsteht im elektrochemischen Färbeverfahren, ganz ohne Lack oder Pigment. Die Farbe ist Teil des Metalls selbst, beständig und pflegeleicht. Das Ergebnis ist eine gleichmäßige, fast textile Optik, die das Licht diffus streut und der Fassade ihren ruhigen Charakter verleiht. In der klaren Luft der Alpen wirkt diese Oberfläche nie hart, sondern weich und warm.
Werkstoffprofil HFX Edelstahl
HFX steht für hochflexibel. Der Edelstahl wurde speziell für Dach und Fassade entwickelt und wird vollständig in Deutschland gefertigt. Er besteht zu über 90 Prozent aus recyceltem Material. Für die Silvretta Therme kam ein 0,5 Millimeter starkes Bandblech der Oberfläche DURA-matt Champagner zum Einsatz. Die Legierung ist auf Formbarkeit und Bauteilruhe abgestimmt. Der Werkstoff ist bis zu 35 Prozent weicher als andere Edelstähle und lässt sich besonders einfach löten und kanten, ohne Spannungen aufzubauen. Durch die weichere Struktur wird die Rückfederung reduziert und ermöglicht enge Radien sowie geschwungene Bahnen mit ruhiger Oberfläche.

Verarbeitung und Detail
Die Qualität einer Metallfassade entsteht nicht im Entwurf, sondern in der Ausführung. HFX Edelstahl zeigt eine hohe Kantenstabilität und lässt sich präzise formen. Löten ermöglicht dichte, schlanke Stöße mit minimaler Überdeckung – ideal für ein homogenes Fassadenbild. Die matte Oberfläche verlangt saubere Abläufe, Schutzfolien und definierte Transportwege. Montage und Detailausbildung folgen klaren Sequenzen. Jede Naht, jede Fuge zählt. Die Oberfläche streut das Licht gleichmäßig, jede Abweichung wäre sichtbar. Präzision wird so zum sichtbaren Teil der Gestaltung.
Blendfreiheit als Planungsparameter
Blendfreiheit war Teil der architektonischen Haltung. In hochgelegenen Tälern mit Schneeauflage und tiefem Sonnenstand ist jede unkontrollierte Reflexion kritisch. Die Bemusterung zeigte, wie stark Blickwinkel und Tageszeit die Wahrnehmung verändern. DURA-matt hält Reflexe ver- lässlich zurück, ohne stumpf zu wirken. Die Oberfläche reagiert sensibel auf wechselnde Lichtverhältnisse und lässt das Gebäude ruhig mit der Landschaft kommunizieren.

Dauerhaftigkeit, Pflege und Betrieb
Edelstahl trotzt Witterung, UV-Strahlung und Frost- Tau-Wechsel. Die DURAOberfläche benötigt keine Beschichtung. Sie reduziert den Pflegeaufwand und hält die Farbwirkung über Jahrzehnte stabil. In alpinen Höhen treffen große Temperaturunterschiede und hohe Schneelasten aufeinander. Edelstahl bleibt formstabil und sicher verankert. Auch der Mix aus feuchter Innenluft und kalter Außenluft stellt keine Belastung dar. Reinigungsintervalle lassen sich klar planen. Wasser, milde Reiniger, feste Abstände – mehr braucht es nicht.
Nachhaltigkeit und Ökobilanz
Die Fassade ist Teil eines durchdachten Nachhaltigkeitskonzepts. HFX Edelstahl besteht zu über 90 Prozent aus recyceltem Material und kann am Ende seiner Nutzungsdauer wiederverwertet werden. Die Produktion in Deutschland sorgt für kurze Wege und nachvollziehbare Standards. Die Oberfläche bleibt schadstoffarm, Beschichtungen entfallen. Das senkt den Energieaufwand über den gesamten Lebenszyklus. Auch das Gebäude selbst ist konsequent nachhaltig geplant. Geothermie, Wärmerückgewinnung und erneuerbare Energien sichern den Betrieb. Architektur, Material und Technik folgen hier demselben Gedanken: Langlebigkeit durch Qualität.

Einordnung für die Branche
Die Silvretta Therme zeigt, wie gestalterische Wirkung und technische Präzision zusammenfinden können. Die ultramatte Oberfläche löst ein reales Problem am Standort. Die Materialqualität erlaubt enge Radien und ruhige Flächen. Das elektrochemische Färben sorgt für dauerhafte Farbkonstanz. Der hohe Recyclinganteil verbessert die Ökobilanz. Für Architekten, Metallbauer und Bauherren entsteht ein Materialsystem, das Design, Technik und Nachhaltigkeit glaubwürdig verbindet.
Fazit
Edelstahl ist in der Architektur längst mehr als ein Werkstoff für Funktion und Haltbarkeit. Er prägt Räume, wirkt charakterbildend und schafft Vertrauen durch Beständigkeit. In Ischgl zeigt sich, wie Oberfläche, Legierung und Verarbeitung zu einer Einheit werden. Die Fassade der Silvretta Therme wirkt leise und ist technisch präzise gedacht. Sie steht für einen Umgang mit Edelstahl, der Ästhetik, Dauerhaftigkeit und ökologische Verantwortung verbindet – und zeigt, wie modern alpine Architektur heute klingen kann.

DIE PROJEKTDATEN IM ÜBERBLICK
Bauherr: Silvrettaseilbahn AG, Österreich
Architektur: Krieger Architekten, Deutschland
Material: HFX Edelstahl DURA-matt Champagner 0,5 mm
Hersteller: Roofinox GmbH, Sulz (AT)
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