Die Ingenieure von Sandvik arbeiteten mit dem renommierten Gitarrentechniker Andy Holt von Drewman Guitars zusammen, um Malmsteens anspruchsvollem musikalischen Standard und seiner blitzschnellen Spielweise gerecht zu werden.
Weltweite Neuheit
Henrik Loikkanen, Zerspanungsprozessentwickler bei Sandvik Coromant, spielte schon als Jugendlicher Gitarre und war Fan von Yngwie Malmsteen. Um zu verstehen, was passiert, wenn Malmsteen ein Instrument zerstört, machte sich Loikkanen deshalb bei YouTube schlau.
„Wir mussten eine Gitarre entwickeln, die gut klingt – und die jedem Versuch standhält, sie zu zerstören“, erklärt Loikkanen. „Die technische Herausforderung war die Verbindung zwischen Hals und Korpus, die meist als erstes bricht.“
Die Lösung war denkbar einfach: Die Ingenieure verzichteten schlichtweg auf diese Verbindung. Stattdessen wurden Hals und Griffbrett auf einer einzigen Maschine aus recyceltem Edelstahl gefräst – eine Gitarrenbauweise, die noch nie zuvor ausprobiert worden war. Sowohl der Hals als auch das Griffbrett laufen in einem rechteckigen Mittelstück aus, das weit in den Korpus der Gitarre hineinreicht.Lange, schlanke Komponenten wie das Griffbrett und der Hals sind besonders anfällig für Verzug im Zerspanungsprozess. Dank moderner Software konnten die Ingenieure den Fräsvorgang zuvor digital simulieren, bevor der erste Schnitt gemacht wurde. Dies ermöglichte eine optimale Werkzeugwahl, sparte Fertigungszeit und sorgte für effiziente Prozesse.
„Präzision war entscheidend“, erklärt Laikkanen. „Unsere Software liefert Empfehlungen zum Werkzeug und zu den Schnittdaten, mit deren Hilfe wir den Gitarrenhals an einigen Stellen bis auf eine Dicke von nur einem Millimeter fräsen konnten.“
Korpus aus dem 3D-Drucker
Währenddessen wurde eine weitere Herausforderung angegangen: die Herstellung des Gitarrenkorpus, eines extrem komplexen Bauteils, das äußerst stabil und gleichzeitig leicht sein muss: Die Ingenieure entschieden sich dafür, den Korpus im 3D-Druck herzustellen. Dazu wurde Titanpulver von einem Laser zu übereinander liegenden Schichten verschmolzen. Diese Schichten, jede dünner als ein menschliches Haar, bildeten schließlich den Korpus der Gitarre.
„Mithilfe der additiven Fertigung können wir leichtere, festere und flexiblere Bauteile mit inneren Strukturen herstellen, die unmöglich auf herkömmliche Weise gefräst werden könnten“, erläutert Amelie Norrby, Ingenieurin für additive Fertigung, die am Gitarrenprojekt beteiligt war. „Und sie ist nachhaltiger, weil wir nur das Material verwenden, das für die Komponente benötigt wird und so jeglichen Abfall vermeiden.“
Die Welt der Werkstoffe
Tomas Forsman, Forschungs- und Entwicklungsspezialist bei Sandvik, erkannte, dass für die Gitarre eine spezielle Struktur notwendig ist, die fest, steif und leicht zugleich ist. Sein Vorschlag: eine isotrope Leichtbaustruktur (Isotropic Lightweight Structure, ILS) – die stabilste Struktur im Verhältnis zum Gewicht, die jemals entwickelt wurde. „Sie sieht eigentlich wie jede andere Rahmenstruktur aus“, so Forsman, „aber sie ist steifer und leichter als alles, was vorher entwickelt wurde.“
Forsman wusste auch genau, aus welchem Werkstoff die ILS hergestellt werden sollte: Hyper-Duplexstahl, eine Sorte, die nur Sandvik produziert. Er wollte die Hyper-Duplex-ILS zwischen dem Hals und dem Griffbrett in Sandwichbauweise unterbringen. Allerdings musste das Griffbrett absolut verwindungsfrei bleiben – ein Problem, das beim Verschweißen langer, dünner Komponenten häufig auftritt. Darum wurde der Schweißprozess durch Untersuchungen und Tests so weit verfeinert, dass die ILS am Ende erfolgreich integriert werden konnte.
„Diese Art der Zusammenarbeit ist der Schlüssel zur Zukunft“, sagt Forsman. „Die Anforderungen unserer Auftraggeber werden immer komplexer. Wir müssen unser geballtes Know-how einbringen, um gemeinsam mit Partnern und Kunden neue Wege zu finden, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.“
Als die Gitarre fertig war, übergab Sandvik sie an Malmsteen. Dieser spielte damit in einem Club in Florida zunächst einige Songs und begann dann, die Gitarre gegen Verstärker, Bühnenaufbauten und auf den Fußboden zu schlagen, um sie zu zerstören.
„Diese Gitarre ist ein Biest!“, sagte Malmsteen, nachdem er seine Bemühungen aufgegeben hatte, sie zu zertrümmern. „Die Jungs von Sandvik sind offensichtlich ganz weit vorne bei dem, was sie tun. Sie haben hart gearbeitet und ihre Hausaufgaben gemacht. Das passt zu mir. Das Ergebnis ist einfach großartig. Ich habe wirklich alles gegeben, aber sie ist nicht kaputt zu kriegen.“