acatech und DECHEMA legen Wasserstoff-Kompass vor

Am 8. September haben acatech und DECHEMA den Wasserstoff-Kompass vorgelegt. Er bietet Orientierung über Wege und Handlungsoptionen für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland: www.wasserstoff-kompass.de.

Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung markiert den Aufbruch Deutschlands in die Wasserstoffwirtschaft. Nun geben acatech und DECHEMA mit dem Wasserstoff-Kompass Orientierung für mögliche Wege dorthin. Aktuell informierten sie über den digitalen H2-Kompassder daten- und faktenbasiert Handlungsoptionen zu Erzeugung, Transport und Import sowie Nutzung aufzeigt. Ein Fazit: Deutschland wird auch mit Wasserstoff Energieimporteur bleiben – kann aber kritische Abhängigkeiten im Vergleich zu Öl und Gas stark reduzieren.

In einer klimaschonenden Wirtschaft wird Wasserstoff ein wichtiger Baustein sein – darüber sind sich Forschung, Politik und Wirtschaft weitestgehend einig. Doch viele Fragen werden noch heiß diskutiert: Wie viel heimischen Wasserstoff kann Deutschland mittels erneuerbarer Energien herstellen? Wie viel muss importiert werden – und welche Partnerländer bieten sich an? Wie kann ein europäisches Wasserstoff-Transportnetz entstehen – und wie sollte Wasserstoff am sinnvollsten genutzt werden?

„Die Ziele sind mit der Wasserstoffstrategie vor dem Hintergrund der Klimaschutzabkommen und auch mit Blick auf unsere Industrie- und Energie-Souveränität klar. Unser Anspruch ist, mit dem Wasserstoff-Kompass Orientierung zu geben, welche alternativen Routen zu diesen Zielen führen können“, so acatech Präsident Jan Wörner.

„An vielen Stellen gibt es von Unternehmen bereits wichtige erste Impulse für den Markthochlauf“, so DECHEMA-Vorstandsmitglied Maximilian Fleischer. „Dennoch zeichnen sich bei Erzeugung, Transport und Anwendung von Wasserstoff und seinen Derivaten derzeit keine Universallösungen ab. Der technologische Optionenraum ist weit geöffnet. Deshalb braucht es technologieoffenes und marktorientiertes Wissen, damit die Politik Forschung und Innovation effektiv unterstützen kann“, so Fleischer weiter.

Deutschland bleibt Energieimportland – kann jedoch kritische Abhängigkeiten reduzieren

Bei einem Wasserstoffbedarf von 95 bis 130 Terawattstunden im Jahr 2030 werde Deutschland auf Importe in erheblichem Umfang angewiesen sein. Viele Länder inner- und außerhalb Europas kämen als Wasserstoff-Exporteure infrage. Für den Import nach Deutschland böten sich vor allem Pipelines an. Vorstellbar seien auch Importe von Wasserstoff beziehungsweise seinen Derivaten per Schiff aus weit entfernten Regionen. Insgesamt könne der Umstieg von Kohle, Öl und Gas auf Wasserstoff für eine Diversifizierung der Energie-Importquellen genutzt werden – damit würde die Versorgungssicherheit Deutschlands im Vergleich zur fossilen Energieversorgung steigen.

Im Rahmen der Projektarbeit haben sich laut Pressemeldung Grundvoraussetzungen, Schlüsseltechnologien, aber auch bestehende und zukünftige Verknüpfungen zwischen Industrien, Prozessen und Sektoren herauskristallisiert. Der Wasserstoff-Kompass zeige auf, wie technologische Veränderungen in einem Bereich Anpassungsbedarfe an anderen Stellen auslösen. Ein Beispiel: Wenn Raffinerien von der Rohölverarbeitung auf eine wasserstoffbasierte Kraftstoffproduktion umstellen, fallen Schwefel, Bitumen und Koks als wichtige Nebenprodukte weg. Diese müssten also in anderen Bereichen der Industrie ersetzt werden. Ein anderes Beispiel aus der Stahlindustrie: Beim Umstieg von der klassischen Hochofenroute auf die wasserstoffbasierte Eisendirektreduktion entfallen Hüttensand und Flugasche als Reststoffe. Diese werden bislang als Materialzuschläge in der Zementindustrie eingesetzt.

Fest stehe jedenfalls, dass der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien, ein noch enger verzahntes europäisches Stromsystem und eine ausgereifte Infrastruktur für den Import und Transport von Wasserstoff und seine Folgeprodukte Grundvoraussetzungen für eine Wasserstoffwirtschaft darstellen.

Neuer Elektrolyse-Monitor: Die Lücken in der heimischen Erzeugung schließen sich

Der Elektrolyse-Monitor des Wasserstoff-Kompass-Projektes erfasst wichtige Elektrolysekapazitäten in Deutschland und Europa – sowohl bestehende Anlagen als auch geplante. Er gibt nähere Informationen zu Orten, Akteuren und Technologien. Ein Fazit hierzu: Die Lücke zu dem von der Bundesregierung anvisierten Ziel von 10 Gigawatt heimischer Erzeugungsleistung bis 2030 schließt sich immer weiter. Noch bleibt allerdings eine Lücke von 1,2 Gigawatt.

Über das Projekt H2-Kompass

Deutschland will ab 2045 klimaneutral sein. Mithilfe von Wasserstoff lassen sich viele Bereich defossilisieren. Gleichzeitig eröffnet Wasserstoff dem Industriestandort Deutschland neue Wachstumsoptionen. Ein Projektteam von DECHEMA und acatech hat gemeinsam den Wasserstoff-Kompass erarbeitet. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gemeinsam gefördert.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.