AquaVentus: Grüner Wasserstoff aus der Nordsee

„Die grüne Energie-Revolution beginnt in der Nordsee,“ erklärt die Initiative AquaVentus. Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben: 10 Gigawatt Erzeugungsleistung für grünen Wasserstoff aus Offshore-Windenergie bis zum Jahr 2035.

Neben dem Betrieb auf See installierter Elektrolyseure im industriellen Maßstab, die mit Strom aus Offshore-Windkraftanlagen grünen Wasserstoff erzeugen, geht es im Projekt AquaVentus auch um den Transport von eben diesem über eine Sammelpipeline an Land. Die Vision: Eine Million Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr von Helgoland bis in die Doggerbank.

Europäisches Wasserstoffnetzwerk

Das Konzept zieht große Kreise, wenn es nach den Mitgliedern geht. AquaVentus denkt europäisch und langfristig: Denn es ist vorgesehen, weitere Offshore-Wasserstoffhubs an den Endpunkt Doggerbank anzubinden. So sollen Querverbindungen nach Großbritannien, Dänemark und in die Niederlande Wasserstoff als universelles Handelsprodukt europaweit verfügbar machen.

Der Fahrplan von AquaVentus ist ambitioniert. 15 Jahre von der Gründung der Initiative im Jahr 2020 bis zu der Erzeugung von 1 Million Tonnen grünem Wasserstoff im Jahr 2035. Sechs aufeinander abgestimmte Teilprojekte bilden zusammen AquaVentus.

Bild: AquaVentus

AquaPrimus

AquaPrimus bildet den Auftakt für das Projekt AquaVentus. Das Startprojekt unter Führung von RWE beinhaltet die Entwicklung eines 14 Megawatt-Prototypen einer serienreifen, dezentralen Erzeugungseinheit sowie die für ein Jahr geplante Testung für den Weltmarkt. Aufgebaut wird der Prototyp in Sassnitz. Anschließend soll der Regelbetrieb vor Ort mit Einbindung ins Stromnetz beginnen. Bis 2025 sollen dann zwei Pilotanlagen im Küstenmeer vor Helgoland errichtet werden.

Bei den Pilotanlagen handele es sich um zwei 14-MWOffshore-Windturbinen mit integrierter Wasserelektrolyse, die per Pipeline an Helgoland angebunden werden sollen, so RWE. Beide Anlagen sollen nach Vorstellung der Initiative autark ohne Anschluss ans Stromnetz arbeiten. Neben RWE sind bei AquaPrimus unter anderem Shell, Siemens Gamesa und Siemens Energy involviert.

AquaCampus

Das Forschungsareal AquaCampus ist wenige Seemeilen von Helgoland entfernt. Das Forschungstestfeld ist drei Quadratkilometer groß und reicht 45 Meter in die Tiefe. Es bietet Wissenschaftlern und Projektpartnern aus der Industrie die Möglichkeit, Über- und Unterwassertechnologien unter realen Bedingungen zu entwickeln und zu erproben. Somit können neben Prüfmöglichkeiten für Materialien und Beschichtungen zum Schutz von Oberflächen im Helgoländer Hafen, im AquaCampus neue Technologien für den Einsatz in maritimer Umgebung getestet werden. Dies ermögliche sowohl Langzeitversuche als auch kurzzeitige Prüfszenarien.

Bild: AquaVentus

AquaPortus

Hinter AquaPortus verbirgt sich der stufenweise Ausbau der Hafenanlagen im Vorhafen von Helgoland zum zentralen Wasserstoff-Hub in der Nordsee. Hierfür wird eine LOHC (Flüssige organische Wasserstoffträger) -Infrastruktur aufgebaut, um die AquaPrimus-Produktionsmenge temporär einspeichern und weiter transportieren zu können. Auch soll die Wämeversorgung der Insel von Heizöl auf klimaneutrale LOHC-Abwärme umgestellt werden.

Das produzierte Trägeröl LOHC werde zur weiteren Verwendung über den Hamburger Hafen an Nutzer in der Region der deutschen Nordseeküste verschifft. So werde Helgoland zum Knotenpunkt für ein europaweites H2-Pipeline-Netzwerk.

AquaSector

Als besonderer Energiegewinnungsbereich ist AquaSector geplant. Im Juli 2021 haben die Projektpartner Equinor, RWE, Shell und Gasunie eine Machbarkeitsstudie für diesen ersten großskaligen Offshore-Wasserstoffpark in der deutschen Nordsee angestoßen. Das Pilotprojekt in Kraftwerksgröße soll mit circa 250 bis 300 Megawatt den Weg für die 10 Gigawatt-Vision von AquaVentus bereiten. Der auf einer zentralen Elektrolyse-Plattform im Windpark erzeugte grüne Wasserstoff – geplant seien bis zu 25.000 Tonnen pro Jahr – soll über ein Pipeline-Segment nach Helgoland geleitet werden.

Bild: RWE

AquaDuctus

Der direkte Transport des grünen Wasserstoffs aus der Nordsee zum Festland soll über die Transportleitung AquaDuctus geschehen. Auch hier wurde 2021 bereits eine Machbarkeitsstudie angestoßen. Projektpartner für AquaDuctus sind GASCADE, Gasunie, RWE und Shell. Nach Ansicht der Projektpartner ist die Pipeline die mit Abstand kostengünstigste Möglichkeit, große Energien über mehr als 400 Kilometer zu transportieren.

So soll nach Projektangaben AquaDuctus fünf Hochspannungs-Gleichstromübertragungs-Stromanbindungen (HGÜ) ersetzen, die stattdessen gebaut werden müssten.

AquaNavis

Das Teilprojekt AquaNavis ist derzeit in der Findungsphase und wird sich der wasserstoffbasierten und somit klimaneutralen Schifffahrt vor Helgoland widmen. AquaNavis erweitert damit die Wertschöpfungskette der AquaVentus-Projektfamilie um den Bereich der maritimen Anwendung von grünem Wasserstoff. Die von AquaNavis entwickelten Schiffstypen sollen als Leuchtturmprojekte für die Dekarbonisierung der Schifffahrt dienen. Die verschiedenen Schiffstypen, die nach heutigem Stand realisiert werden sollen, sind Serviceschiffe von Offshore-Windparks, Crew Transfer Vessels und Service Operation Vessels, Frachtschiffe, Fähren und Kreuzfahrtschiffe.

AquaVentus

Für AquaVentus haben sich aktuell 65 internationale Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Organisationen in einem Förderverein zusammengeschlossen. Die Initiative sieht Entwicklungschancen nicht nur für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung, sondern auch für die Energiewirtschaft, für eine CO2-freie Industrie, den Anlagenbau, den maritimen Sektor, für Chemie, Mobilität und Logistik.

Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.