Die deutschen Hersteller haben 2017 einen Rekordwert bei der Produktion erreicht. Weltweit liefen 16,5 Mio. Pkw mit deutschem Markenzeichen von den Bändern. Dieser internationale Erfolg ist das Fundament für die heimische Wertschöpfung. Denn mehr als drei Viertel der in Deutschland gefertigten Pkw gehen in den Export. Der aktuelle Höchststand von über 825.000 Stammbeschäftigten bei Herstellern und Zulieferern zeigt die hervorragende strategische Ausrichtung unserer inländischen Betriebe, sagte Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf dem Future Mobility Summit, der am 9. und 10. April vom Tagesspiegel in Berlin veranstaltet wurde.
Doch der Erfolg von heute ist kein Garant für morgen, so Mattes. Die Automobilindustrie erlebt und gestaltet eine rasante Transformation. Die Weltbevölkerung wächst bis zum Jahr 2050 von heute 7 Mrd. auf 10 Mrd. Menschen. Die Zahl der Megacities nimmt drastisch zu, die kaufkraftstarke Mittelschicht wächst. Das Bedürfnis nach individueller Mobilität bleibt, aber es verändert sich: Erlebnis geht vor Besitz. All diese Megatrends erfordern, die Mobilität der Zukunft neu zu denken. Das tun wir. Unsere Lösungen liegen in emissionsarmen Antrieben, in der Vernetzung, in der Digitalisierung und im autonomen Fahren. Ob Carsharing oder Ridesharing gefragt sind effiziente, kundengerechte Mobilitätsangebote und die Vernetzung der Verkehrsträger.
Ziel der deutschen Hersteller und Zulieferer sei es, den Straßenverkehr künftig noch sicherer, effizienter und komfortabler zu machen: Stufenweise wollen wir den Fahrer immer mehr unterstützen und damit Unfälle vermeiden. Dazu entwickeln wir automatisierte Fahrfunktionen, die auf bestehenden Fahrerassistenzsystemen aufbauen. Fast jedes zweite weltweite Patent beim vernetzten und automatisierten Fahren kommt von der deutschen Automobilindustrie. Mattes: Deutschland ist in diesem Bereich Patentweltmeister. In den nächsten drei bis vier Jahren investieren deutsche Hersteller und Zulieferer bis zu 18 Mrd. Euro in dieses Zukunftsfeld.
Die Konnektivität sei ein enormer Effizienzhebel, so Mattes. Moderne Vernetzungstechnologien könnten zum Beispiel die Parkplatzsuche optimieren und damit Zeit und Emissionen einsparen. In deutschen Städten könnten so bis zu 50 Tonnen Feinstaub und bis zu 1.000 Tonnen Stickoxid vermieden werden. Um die digitalen Potenziale auf der Straße nutzen zu können, ist eine flächendeckende und dynamische Mobilfunknetzabdeckung entlang aller Verkehrswege nötig. Zudem ist ein kluger politischer Rahmen erforderlich, der Rechtssicherheit gewährleistet, sagte der VDA-Präsident.
Die deutsche Automobilindustrie verfolgt eine breit angelegte Dekarbonisierungsstrategie. Sie reicht von weiteren Verbesserungen beim Verbrennungsmotor über alternative Antriebe und Kraftstoffe wie Wasserstoff, Erdgas und E-Fuels bis hin zum reinen E-Fahrzeug. Dazu Mattes: Allein in die Weiterentwicklung der Elektromobilität investieren unsere Unternehmen bis zum Jahr 2020 insgesamt 40 Mrd. Euro. Bis dahin wird sich ihr Angebot an E-Autos auf rund 100 Modelle mehr als verdreifachen. Bei alternativen Antriebspatenten sind die deutschen Hersteller und Zulieferer international an der Spitze. Nach einer Studie des ifo-Instituts stammt weltweit jedes dritte Patent zur Elektromobilität und zum Hybridantrieb aus Deutschland.
Der deutsche Elektromobilitätsmarkt verbuchte 2017 mit einem Plus von 117 Prozent das stärkste Wachstum im internationalen Vergleich. Die Position der deutschen Pkw-Hersteller wird hier immer stärker. So lag ihr Marktanteil bei E-Fahrzeugen bei 66 Prozent, in den ersten beiden Monaten 2018 sogar bei 70 Prozent. Unter den Top 10 der E-Neuzulassungen im Februar finden sich sieben deutsche Modelle. Aufholen muss Deutschland bei der Ladeinfrastruktur. Derzeit gibt es hierzulande rund 11.000 öffentlich zugängliche Ladestationen, davon sind 560 Schnellladepunkte. Die Automobilindustrie investiert in eine öffentliche Ladeinfrastruktur. Zusammen mit dem amerikanischen Ford-Konzern installieren Daimler, BMW und der Volkswagen-Konzern ein Schnellladenetz an europäischen Autobahnen.
Aus Sicht des VDA-Präsidenten sind weitere Anstrengungen nötig, um der Elektromobilität langfristig zum Erfolg zu verhelfen. Es gilt, den Aufbau privater Ladestationen sowohl rechtlich als auch finanziell zu unterstützen. Der Umweltbonus sollte im verabschiedeten Rahmen über Juni 2019 hinaus verlängert werden. Zudem müssen das Bauordnungs-, Miet- und Eigentumsrecht angepasst werden. Auch sollten die Bundesländer die bereits vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten des Elektromobilitätsgesetzes konsequenter nutzen, sagte Mattes.
Bild: Bernhard Mattes, Präsident des VDA. Foto: VDA