Autor: Michael Vehreschild

An dem Standort in Lisburn, 10 Kilometer südlich von Belfast, werden dann stündlich 450 Normkubikmeter Biogas zu Biomethan aufbereitet – die Substrate für die Gewinnung des grünen Treibstoffes stammen aus 41 Lidl Supermärkten in Nordirland. Die Vergärung erfolgt in zwei großen Fermentern aus Edelstahl und die Gärreste werden in Edelstahltanks gelagert.
Bereits Januar 2017 nahm Ashley McCulla, Vorstand des gleichnamigen Transportunternehmens, die erste Ausbaustufe seiner Biogasanlage von Weltec Biopower in Betrieb. Die damalige Intention lag in der Verwertung der Reststoffe seines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes und in den Synergieeffekten durch die Energienutzung. „Durch die Vergärung von Gülle, Grassilage und Kartoffelresten konnten wir selbst mit einem 500-Kilowatt-Blockheizkraftwerk grüne Energie produzieren und auf unserem Firmengelände nutzen. Letztlich haben wir dadurch unseren ökologischen Fußabdruck signifikant verbessert“, fasst McCulla zusammen. Der Ausbau zu einer Biogasanlage mit Gasaufbereitung und eigener Tankstelle war somit die logische Konsequenz aus der guten Erfahrung und dem Netzwerk in der Lebensmittelindustrie.

Lebensmittelreste werden vergoren

Denn als einer der größten Lebensmitteltransporteure Nordirlands mit 235 Mitarbeitern und einem knapp 8.500 Quadratmeter großen Kühllager versorgt McCulla seit Jahren auch die Supermärkte von Lidl Northern Ireland mit Nachschub. Durch die Umstellung der Biogasanlage werden ab sofort jährlich 17.500 Tonnen Lebensmittelreste der Lidl-Filialen statt der landwirtschaftlichen Reststoffe zu energetischen Zwecken vergoren.

Unter dem Motto „Goodbye Diesel – Hello Biofuel“ werden die zehn neuen CNG-Lkw die Lebensmittel sowie die Reststoffe mit Biomethan transportieren. „Jeder Truck, der mit dem grünen Kraftstoff unterwegs ist, stößt 93 Prozent weniger CO2 aus als ein Diesel-Lkw“, erklärt Vorstand Ashley McCulla. Aufgrund der sehr guten Ökobilanz, den verminderten Emissionen und der geringeren Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen sorgt der Deal zwischen Lidl und McCulla für positive Resonanz bei allen Beteiligten.

Große Fermenter aus Edelstahl

Um dies langfristig zu gewähren, setzte Weltec Biopower in Lisburn auf seine etablierten Komponenten und Technologien. Zur Zwischenlagerung der Substrate stehen vier Vorgruben zur Verfügung. Die anschließende Vergärung erfolgt in zwei Fermentern aus Edelstahl mit 23,03 Meter Durchmesser, 6,30 Meter Höhe und einem Fassungsvermögen von je 2.625 Kubikmeter. Die Gärrestlagerung erfolgt in einem 3.432 Kubikmeter großen Edelstahltank. Um das Energiepotenzial der Lebensmittelreste auszuschöpfen, hat Weltec den 80 Kubikmeter großen Dosierer in Kombination mit dem MULTIMix ausgestattet. Darin werden die Lebensmittelreste zerkleinert und homogenisiert. Zusätzlich werden die Lidl-Abfälle in der Biomethananlage automatisch entpackt und hygienisiert.

Im Zuge der Umstellung installierte Weltec Biopower zudem ein Update der selbstentwickelten LoMOS Steuerung aus SPS-Basis. Um alle Prozesse inklusive der Gasaufbereitung und -nutzung besser überwachen zu können, wurde das zentrale Steuerungssystem CeMOS zusätzlich eingerichtet. „Darüber hinaus legten wir die Gasleitungen, installierten eine zweite Notfackel und sorgten für die glatte Anbindung sämtlicher Komponenten“, erläutert Weltec-Vertriebsmanager Dr. Kevin Monson. „Last not least sorgen wir mit unserer biologischen Betreuung für eine reibungslose Substratumstellung und ermöglichen eine Leistungsverdoppelung ohne weitere Investitionen in neue Behälter“, fügt Monson hinzu.

 

WELTEC BIOPOWER

 

Klimaschonendes Biomethan

Die Biogasaufbereitung stammt von Pentair Haffmans. Das Modul separiert mittels Membrantechnologie Kohlenstoffdioxid und weitere Bestandteile des Biogases vom Methan. Dadurch entsteht Biomethan, das in seinen Eigenschaften Erdgas ähnelt, aber deutlich klimaschonender ist. Trotz Aufbereitung von stündlich 450 Normkubikmeter Biogas läuft das 500-Kilowatt-BHKW weiter, weil McCulla den Strom und die Wärme für sein Headquarter und das Kühllager nutzen kann.
Mit dem Technologiepaket und seiner Biomethan-Expertise trägt der deutsche Biogasspezialist Weltec dazu bei, dass McCulla mit seiner grünen Flotte die gesamte Region beliefern kann. Vorstand Ashley McCulla hat bereits angekündigt, das nachhaltige Transportmodell in den nächsten fünf Jahren auf seine gesamte Lkw-Flotte anzuwenden.

Lohnende Umstellung

Auch deshalb kann eine Umstellung auf Biogas als Treibstoff lohnend sein: Mit Erdgas betriebene Fahrzeuge werden in Deutschland bis 2023 komplett von der Lkw-Maut befreit. „Ab dem 1. Januar 2024 gilt ein reduzierter Mautsatz, der 1,1 Cent/km günstiger als für ein vergleichbares Diesel-Fahrzeug der Euro 6-Norm ist“, berichtet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dazu gehören Fahrzeuge mit Erdgasantrieb (Compressed Natural Gas – CNG) und Flüssigerdgasantrieb (Liquefied Natural Gas – LNG).
Die Biomasse ist längst allgemein ein wichtiger Faktor bei der Energiewende in Deutschland. „Insgesamt ist die ⁠Biomasse⁠ aufgrund ihrer vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten in allen Sektoren – in Form von festen Brennstoffen, Biokraftstoffen oder Biogas – mit einem Anteil von 52 Prozent an der Bereitstellung von erneuerbarer Endenergie noch immer der wichtigste erneuerbaren Energieträger“, erklärt das Umwelt-Bundesamt zu den von der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat) bereitgestellten Daten. Die Windenergie folge mit einem Anteil von 28 Prozent an zweiter Stelle.

Flexibilisierung der Stromerzeugung

Aus Biomasse und biogenem Abfall wurden im Jahr 2020 etwa 50,6 Mrd. kWh Strom bereitgestellt. „Gegenüber 2019 (50,2 Mrd. kWh) steigt der Wert damit um etwa 1 Prozent“, so das Umwelt-Bundesamt weiter. Maßgeblich für die Stromerzeugung aus Biomasse sind vor allem Biogas (28,7 Mrd. kWh), feste Biomasse (11,3 Mrd. kWh), und der biogene Anteil des Abfalls (5,7 Mrd. kWh).

Die installierte Leistung stieg laut Umwelt-Bundesamt 2020 um etwa vier Prozent auf fast 10.385 MW. Gegenüber dem Jahr 2015 beträgt der Zuwachs der installierten Leistung sogar 23 Prozent. „Die Ausweitung der Kapazität von Biomasseanlagen diente jedoch in den letzten Jahren vornehmlich der Flexibilisierung der Stromerzeugung“, erläutert das Bundesamt. Diese sogenannte „Überbauung“ habe in den Jahren seit 2015 zwar kaum zu einem Anstieg der jährlich erzeugten Strommenge geführt, sorge aber dafür, dass erneuerbarer Strom bedarfsgerechter – also beispielsweise in Zeiten mit geringer Wind- und PV-Stromerzeugung – flexibel bereitgestellt werden kann.
Dass nun das Logistikunternehmen McCullla Transport zehn neue CNG-Trucks mit Biogas betreibt, ist ein Beispiel dafür, wie mit solchen Projekten die Nutzung von Biomethan auch auf den Straßen Europas noch mehr Fahrt aufzunehmen vermag. Ein Beispiel, das europaweit Schule machen könnte.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.