Fotos: Uniper, ROSE Systemtechnik
Grafik: RWE
Am 17. Dezember 2022 wurde Deutschlands erstes LNG-Terminal eingeweiht. Über das schwimmende Terminal in Wilhelmshaven sollen jährlich mindestens fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas angelandet und in das deutsche Ferngasnetz eingespeist werden.
Aber was genau ist LNG? LNG ist die englische Abkürzung für Liquefied Natural Gas. Das farb- und geruchlose Gas besteht zu rund 98 Prozent aus Methan. Durch Herunterkühlen auf Temperaturen zwischen – 161°C und – 167°C tritt Erdgas in den flüssigen Zustand und wird dann als LNG bezeichnet. Das Volumen von verflüssigtem Erdgas ist etwa 600-mal kleiner als das Volumen im gasförmigen Zustand in einer Erdgaspipeline. Durch den Verflüssigungsprozess wird der Transport von Erdgas an Orte ohne Erdgaspipeline ermöglicht – und sogar die Nutzung als Transportkraftstoff. Bei Erwärmung nimmt es wieder den gasförmigen Aggregatzustand an.
LNG und Edelstahl
Für den Aufbau von Speicher- und Transportbehältern und für die Handhabung von verflüssigtem Erdgas sind laut Nickel Institute austenitische nichtrostende Stähle sowie nickellegierte Stähle die beste Lösung. Auf dem Seeweg wird LNG in speziellen Tankern transportiert, deren moderne Tankerkonstruktionen den Raum im Schiffsrumpf optimal ausnutzen. Das Flüssiggas wird von einer doppelten Metallmembran umschlossen, die von einer Isolierung gestützt wird. Für diese Konstruktionen wird ausschließlich dünnes 304L strukturiertes Edelstahlblech oder dünner und flacher Alloy 36 (K93600) – eine 36-prozentige Nickellegierung mit geringer Wärmeausdehnung – verwendet, um Ausdehnung und Kontraktion zu ermöglichen.
Wilhemshaven
Das Anlande-Terminal – auch FRSRU genannt – und die Wilhelmshavener Anbindungsleitung wurden von den drei Unternehmen Niedersachen Ports, Open Grid Europe GmbH (OGE) und Uniper innerhalb von zehn Monaten umgesetzt. Das Design des LNG-Terminals und der Leitungen wurde laut Uniper „wasserstoff-ready“ geplant und ermöglicht so Synergien für den Schritt in die CO2-neutrale Energiewirtschaft. Denn langfristig sei an dem Standort geplant, zusätzliche Entlade- und Umschlagsmöglichkeiten für Wasserstoff und dessen Derivate, zum Beispiel Ammoniak, zu schaffen.
FSRU
Floating Storage and Regasification Units (abgekürzt FSRU) sind Spezialschiffe, die eine schnelle Übergangslösung zum Anlanden von verflüssigtem Erdgas bieten: Am schwimmenden LNG-Terminal wird das von einem Tankschiff angelieferte verflüssigte Erdgas zur Speicher- und Verdampfungseinheit (FSRU), übergeleitet, dort verdampft und somit wieder in den gasförmigen Zustand überführt. Anschließend wird das Gas über die Wilhelmshavener Anbindungsleitung in das deutsche Ferngasnetz bei Etzel eingespeist. Die Hochdruck-Pipeline, die das LNG-Terminal mit der Gasdruckregel- und Messanlage der OGE verbindet, ist etwa drei Kilometer lang.
Die FSRU Höegh Esperanza ist seit Dezember 2022 dauerhaft an einem Anlander im Wilhelmshavener Hafen festgemacht. Sie entlädt die LNG-Ladungen von den ankommenden LNG-Tankern, die an der Steuerbordseite der FSRU festgemacht sind. Die FSRU besteht aus LNG-Lagertanks, Anlagen zum Be- und Entladen von LNG und Anlagen zur Wiederverdampfung von LNG.
Die Ladungen der ankommenden LNG-Carrier werden in die FSRU-Tanks umgeladen. Die Wiederverdampfung des LNG erfolgt durch den Austausch der Wärme von Meerwasser und LNG über andere Zwischenprodukte. Das Meerwasser gibt seine Wärme an die Zwischenprodukte ab und wird anschließend ohne jegliche Behandlung wieder ins Meer geleitet. Die Zwischenprodukte geben die Wärme an das verflüssigte Erdgas ab, das während dieses Prozesses in der FSRU regasifiziert wird. Das Erdgas wird dann durch die Hochdruckverladearme in die Verbindungspipeline und dann in das deutsche Gastransportsystem geleitet.
Das Terminal ist derzeit für die Aufnahme von LNG-Tankern mit einer Speicherkapazität von 125.000 bis 180.000 m3 ausgelegt.
Jetty
Das LNG-Anlandungsterminal (Jetty) ist circa 390 m lang und ist eine Verlängerung des bestehenden Anlegers 1, der als Plattform auf Betonpfählen errichtet wurde. Das Anlandungsterminal besteht aus drei Anlegedalben, sechs Verankerungsdalben, einer Hochdruckverladeplattform mit Gasverladearmen und Verbindungsbrücken. Auf dem Anleger wurden spezielle Ausrüstungen installiert, wie zum Beispiel Brandschutztürme und ein Feuerlöschsystem, Hochdruckverladearme, Schnellverladehaken und elektrische Generatoren.
Ex-Gehäusesysteme
Anlagen im Bereich des neuen LNG-Terminals sind von ROSE Systemtechnik mit explosionsgeschützten Gehäusesystemen (kurz Ex-Gehäusesysteme) ausgestattet worden. Denn auch wenn LNG selbst durch die hohe Dichte bei niedriger Temperatur nicht brennbar ist, so kann ausgetretenes LNG durch den Wärmeeintrag aus der Umgebung in Erdgas umgewandelt werden und damit entweder bei Entzündung eine Flamme oder bei längerem Verdampfen eine explosionsfähige Atmosphäre bilden.
Die Ex-Gehäusesysteme von ROSE Systemtechnik sind speziell für den Einsatz in Bereichen mit erhöhten Sicherheitsanforderungen entwickelt worden. Gefertigt sind die Gehäuse aus Aluminium und Edelstahl. Für die Edelstahlgehäuse verwendet ROSE Edelstahl 1.4404 sowie Edelstahl 1.4301.
Die Aluminium- und Edelstahlgehäuse der Serien Ex eb und Ex db erfüllen die Anforderungen der Schutzarten IP66 bzw. IP67 und eignen sich für die Verwendung in den ATEX-Zonen 1 und 2. Alle Gehäuse sind laut ROSE von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassen und besitzen neben der ATEX- auch die IECEx-Zertifizierung.
Explosionsschutz
Explosionsgefährdete Bereiche entstehen, wenn sich Luft mit Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Stäuben zu einem Gemisch verbindet, das sich unter bestimmten Betriebsbedingungen entzünden kann.
Für Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen gilt seit dem 26. Februar 2014 die Richtline 2014/34/EU (ATEX). Sie legt einheitliche, EU-weite Vorschriften für den Verkauf und die Inbetriebnahme von Geräten und Schutzsystemen zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen fest.
Bei explosionsgefährdeten Bereichen differenziert ATEX zwischen Gasen und Dämpfen sowie Stäuben. Der Bereich Gase und Dämpfe ist in die drei ATEX-Zonen 0, 1 und 2 unterteilt. Hier wird nach Häufigkeit des Auftretens einer gefährlichen, explosionsfähigen Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebel unterschieden. Von langen Zeiträumen oder häufig (ATEX-Zone 0) über gelegentlich (ATEX-Zone 1) bis nicht oder nur kurzfristig (ATEX-Zone 2).
Die Ex-Gehäusesysteme schützen die Elektronik für Steuerungen im Bereich des LNG-Terminals und sollen so eine sichere Förderung des Gases gewährleisten. Sie wurden von ROSE nach Kundenzeichnung bearbeitet und mit den gewünschten Komponenten bestückt. Sie
Auf Rückfrage von Edelstahl Aktuell, warum unter anderem der Werkstoff Edelstahl für die Ex-Gehäuse asugewählt wurde, antwortete das Unternehmen: „Aus Edelstahl können wir unterschiedliche Gehäusegrößen und Formen kundenspezifisch realisieren, ohne in teure Werkzeuge investieren zu müssen. Edelstahl ist ein nicht-rostender Stahl, dies bedeutet einen sehr hohen Korrosionsschutz in Seewasserumgebungen. Selbstverständlich können Edelstahlgehäuse sowohl mit aggressiven Reinigungsmitteln in Kontakt als auch mit Hochdruck gereinigt werden (Schutzart IP 69). Dank dieser Besonderheit können Edelstahlgehäuse in der chemische und Ex-relevanten Prozessindustrie problemfrei eingesetzt werden Gleiches gilt für die Nahrungs- und Genussmittelindustrie.“
Auch dabei: BUHLMANN
Mit Material am Bau des schwimmenden Terminals beteiligt war, als Zulieferer des in Düsseldorf ansässigen DAX-Konzerns Uniper, die BUHLMANN GRUPPE. „Wir haben an UNIPER für das LNG-Terminal in Wilhelmshaven Rohre und Rohrzubehörteile für die Rohrbrücke sowie für die Brandschutzleitungen geliefert”, so Jürgen Olbrich, Senior Team Manager der Energy-Projects-Abteilung.
Ein anderes großes LNG-Projekt, an dem das Bremer Handelshaus übrigens mit der Abteilung Global Projects beteiligt ist, wird im US-Bundesstaat Louisiana gebaut. Senior Team Manager Adrian Windmann: „Für das Plaquemines LNG-Terminal liefern wir sogenannte Transition Pieces in Alloy 625. Die Teile werden benötigt, um eine Verbindung beziehungsweise Schweißbarkeit zwischen den Werkstoffen ‚Invar‘ und ‚304L‘ herzustellen.“ Die Vorfertigung für Plaquemines findet in Frankreich statt.
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Alle Bilder wurden vor der COVID-19-Pandemie bzw. unter Einhaltung der Abstandsregeln aufgenommen.