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Denkt man an die Herausforderungen der Materialbeschaffung im Edelstahlmarkt, denkt man derzeit vor allem an Lieferengpässe. Neben diesem gerade vorherrschenden konjunkturellen Problem ist aber auch das Zusammenspiel von Händler und Verarbeiter nicht frei von Schwierigkeiten, gerade in der Kommunikation zwischen beiden Parteien. Digitale Lösungen, basierend auf Algorithmen, eröffnen dabei die Möglichkeit, immer die gleiche „Sprache“ zu sprechen. Natürlich sind Algorithmen oder automatisierte Prozesse kein Allheilmittel, können aber Abläufe vereinfachen, die komplexer sind als notwendig, und neue Optionen eröffnen.
Ein Beitrag von Joanna Funck, FERROSO.
Materialanfragen erfolgen im Edelstahlmarkt individuell und in Einzelabstimmung mit Händlern via Telefon, E-Mail oder Fax. Selbst in der Interaktion zwischen einem konkreten Händler und Verarbeiter hat sich selten ein fester Abstimmungsweg herausgebildet und auch die verschickten Angebote enthalten nicht immer die gleichen Angaben und Spezifikationen oder sind in ihrer Darstellungsweise optisch voneinander verschieden. Statt kurze Wege und Standards gibt es individuell erstellte Bestelllisten und mehrstufige Feedback-Schleifen, was letztlich zu einem unübersichtlichen und ineffizienten Bestellvorgang führt.
Digitale Lösungen
Dieses Problem ist keineswegs selbstverschuldet. Die Edelstahlbranche umfasst Unternehmen verschiedenster Größen, aus unterschiedlichen Regionen, und ein Material in diversen Zuständen und Qualitäten – das verhindert Standards und, wenn man so möchte, eine gemeinsame Sprache. Hier können digitale Lösungen ansetzen, nicht nur um die Abstimmung für beide Seiten zu verschlanken, sondern um Verarbeiter direkt mit den Händlern in Verbindung zu setzen, die für sie die relevantesten Angebote haben. Die digitalen Lösungen, die konkret für Beschaffungsprozesse in der Edelstahlindustrie entwickelt wurden, sind keine hochkomplexen Systeme, sondern meist Webanwendungen, Onlineportale oder Plattformen, für die keine langwierige Integration notwendig ist. Das Ziel dieser Lösungen ist es, die fehlende Eindeutigkeit im Edelstahlmarkt herzustellen. Denn Eindeutigkeit ist für Verarbeiter oft nicht gegeben. Händler führen auf ihren Webseiten meist unterschiedliche Materialbezeichnungen und legen unterschiedliche Schwerpunkte auf die gehandelten Güten, Formen und Maße. Das erschwert Verarbeitern zum einen das Auffinden von neuen Händlern, zum anderen aber auch die Abstimmung mit den Händlern. Hier gilt es im ersten Schritt spezielle Qualitätsanforderungen, Güten, Toleranzen und Maße sowie die derzeitige Verfügbarkeit abzuklären.
Standards durch Algorithmen
Aber auch Händler haben mit fehlender Eindeutigkeit zu kämpfen. Materialbeschaffung wird oft erschwert durch teilweise uneinheitliche Verwendungen der verschiedenen oder veralteten, teils herstellerindividuellen Bezeichnungen und Normen für Edelstahl (ISO, DIN, EN). Händler erhalten dadurch meist keine standardisierten Anfragen und investieren viel Zeit in die individuelle Bearbeitung einzelner Anfragen. Dabei kommt es oft vor, dass die Anfragen häufig nicht zum eigenen Portfolio passen, was zu weiteren Abstimmungsschleifen führt. Dabei können mittels Algorithmen Prozesse entwickelt werden, die die nötigen Standards herstellen und Eindeutigkeit sicherstellen. Grundsätzlich muss der Einstieg in die Digitalisierung, nicht nur in der Edelstahlbranche, niedrigschwelliger sein. Es gibt bereits einzelne Tools, die an verschiedenen Ecken ansetzen und von den Branchenteilnehmern genutzt werden, um die eigenen Abläufe in der Materialbeschaffung zu vereinfachen und die Prozesseffizienz zu steigern. Beispielsweise sind Online-Beschaffungsportale ein Ansatz, die den Ein- und Verkauf für Händler und Verarbeiter optimieren. Verarbeiter geben Ihre Anfrage in ein übersichtliches Formular ein und Händler erhalten ausschließlich vorselektierte und standardisierte Anfragen, die zu Ihrem Portfolio passen, auf welche sie schnell und einfach Angebote abgeben können. Durch ein intelligentes Matching von Bedarf und Angebot mittels Algorithmus können nicht nur deutlich kürzere Abläufe und mehr Effizienz, sondern im Gegenzug auch mehr Verkäufe erreicht werden.
Verbesserte digitale Prozesse können auch in konjunkturell schwierigeren Zeiten für effizientere Vertriebsprozesse sowie für bessere Kundenbindung- und -neugewinnung auf Händlerseite sorgen. Kleine und mittlere Edelstahlverarbeiter hingegen profitieren durch harmonisierte digitale Prozesse von einer Beschleunigung der Bestellabläufe. Je geringer die Einstiegshürden für beide Seiten im Umgang mit digitalen Lösungen ist, desto wahrscheinlicher ist die breite Implementierung solcher Lösungen und ein sichtbarer kurzfristiger Effekt im Edelstahlhandel.
Über die Autorin
Joanna Funck ist Co-Founderin und Geschäftsführerin von FERROSO. Mit dem Ferroso Onlineportal möchte die Gründerin den Stahl- und Edelstahleinkauf vereinfachen und Händlern wie Verarbeitern einen niederschwelligen Einstieg in die Digitalisierung bieten.
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