Edelstahl im Einsatz für die Papierproduktion

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Die Herstellung von Zellstoff und Papier umfasst mehrere Schritte: von der Holzaufbereitung über den Faseraufschluss und die Bleichung bis hin zur Stoffaufbereitung, dem Durchlauf durch die Papiermaschine und der Endveredelung. In allen Phasen kommen aggressive Medien wie schwere Laugen, Säuren und Chlorverbindungen sowie abrasives Faser-Wasser-Gemisch mit den Produktionsmaschinen in Berührung. Zudem herrschen hohe Temperaturen und Drücke. Deshalb ist Edelstahl in vielen Prozessen unverzichtbar.

Ein Beitrag von Sonja Wingels, Edelstahl Aktuell

Speziell austenitische und austenitisch-ferritische (Duplex-)Edelstähle bieten die nötige Korrosionsfestigkeit, Widerstandsfähigkeit, Hygiene und Langlebigkeit. Häufig verwendete Sorten sind 1.4301 (AISI 304), 1.4404 (316L) oder Duplexstähle wie 1.4462 (UNS S31803/2205): Erstere kommen in weniger aggressiven Bereichen zum Einsatz, Letztere in chlorid- und laugenhaltigen Bereichen.

Holzaufbereitung

Edelstahl im Einsatz für die Papierproduktion
Die Papier- und Zellstoffproduktion ist ein chemisch anspruchsvoller Prozess. Werden die falschen Materialien verwendet, können Rost, Leckagen oder Hygieneprobleme zu Produktionsausfällen oder anderen Komplikationen führen. | Foto: Pixabay

Bevor das Holz chemisch weiterverarbeitet werden kann, wird es zunächst mechanisch aufbereitet. Dazu gehören das Entrinden der angelieferten Stämme, das Zerkleinern und das Hackschnitzeln. Das bei der Entrindung, Zerkleinerung sowie den Wasch- und Sortierstufen eingesetzte Wasser wird nach dem Gebrauch gefiltert, aufbereitet und wiederverwendet. In Spülen und Sieben werden Sand und Steinpartikel abgetrennt. Hierzu werden oft Sandabscheider und Siebe aus Edelstahl verwendet, da dieses Material gegenüber salz- und faserhaltigem Wasser beständig ist. Sie trennen unerwünschte Partikel mithilfe mechanischer beziehungsweise zentrifugaler Kräfte aus dem Prozesswasser und schützen so nachgelagerte Anlagenteile wie Pumpen und Ventile vor Abrieb, Verstopfung und Ausfällen. In vielen Anlagen dienen die aufgefangenen organischen Reststoffe gemeinsam mit der Rinde als Brennstoff zur Strom- und Wärmeerzeugung.

Zellstoffherstellung (Aufschluss)

Im Zellstoffaufschluss wird die Holzchemie durch den Kraft- oder den Sulfitprozess aufgebrochen. Beim alkalischen Sulfatverfahren (Kraftprozess) werden Aufschlusskessel mit stark laugenhaltigem „White Liquor“ (NaOH, Na₂S) bei Hochdruck und hohen Temperaturen betrieben. In diesen Kesseln löst sich das Lignin, das die Zellulosefasern zusammenhält. Um Lochfraß und Spannungsrisskorrosion zu vermeiden, hat sich eine Edelstahl-Außenhaut oder ein Cladding aus Duplexstahl (z. B. 1.4462/UNS S32205) bzw. hochlegiertem Austenit (316L) etabliert.

Beim Sulfitprozess werden Holzschnitzel in einer sauren Lösung, in der Calcium- oder Magnesiumbisulfit zum Einsatz kommt, gekocht. Die entstehenden Fasern sind laut dem Buch „Pulping and Papermaking of Nonwood Plant Fibers” von Z. M. A. Ainun, S. M. Sapuan und R. A. Ilyas weniger stark als beim Kraftprozess. Dafür wird aber mehr Lignin entfernt, sodass mit diesem Verfahren hergestellter Zellstoff besser für die Herstellung von hochwertigem Papier geeignet ist.

Nach dem Kochen wird der Zellstoff in Ausblasbehälter (Blow Tanks) geleitet. Laut dem Nickel Institute können diese zwar aus Kohlenstoffstahl gefertigt werden, um damit verbundene Risiken zu vermeiden, werden sie jedoch typischerweise aus 304L (1.4307) oder bei besonders großen Tanks aus UNS S31803/2205 Duplex-Edelstahl gefertigt. Anschließend wird der Brei in Waschmaschinen (Rundtakt- oder Trommelwaschverfahren) mit Wasser gespült. Da die Lauge (bzw. das Rückstandsmedium „Schwarzlauge“) noch aggressiv, stark alkalisch und korrosiv ist, werden auch für die Waschbehälter, Pumpen und Rohrleitungen in der Papierindustrie typischerweise korrosionsbeständige Edelstähle eingesetzt.

In den Recovery-Anlagen (Eindampfer, Rückgewinnungskessel) sind die Temperaturen sehr hoch. Deshalb verwendet kommen hier meist hitzebeständige Wärmetauscher aus Edelstahl oder Nickellegierungen zum Einsatz. In Verdampfern für Schwarzlauge sind Duplexstähle üblich, da sie in dem hochkonzentrierten, sulfidhaltigen Milieu (Na₂CO₃/Na₂S) eine sehr gute Korrosions- und Spannungsrissfestigkeit bieten.

Bleichung

Vor allem bei hochwertigen Papieren (Tissue, Hygienepapier, gestrichene Sorten) werden Zellstoffe nach dem Kochen gebleicht. Dazu werden üblicherweise Wasserstoffperoxid, Natriumhydrosulfit, Chlor bzw. Chlor­dioxid oder andere Chemikalien verwendet. Diese Medien sind stark oxidierend bzw. chlorhaltig. Bleichbehälter und -reaktoren werden daher aus säure- und halogenbeständigem Edelstahl gefertigt, meist aus der Legierung 1.4404 (316L) oder einem noch höher legierten Austenit. In der Bleicherei sind hitzebeständige Dichtungen und Rührwerke erforderlich, da Edelstahlrührorgane mit Säure- und Basenlösungen in Kontakt kommen und daher Lochfraß-unempfindlich sein müssen. Die Bleichwaschmaschinen (z. B. Scheibenfilter, Trommeln) sind ebenfalls weitgehend aus Edelstahl gefertigt, um das chemikalienbelastete Filtrat sicher handhaben zu können. Die Materialauswahl schützt in diesem Fall gegen Schäden verursacht durch Chloridionen und anderen Verbindungen.

Stoffaufbereitung (Zellstoff- und Frischfaserbehandlung)

Vor der Papiermaschine werden die Fasern mit Wasser und verschiedenen Zusatzstoffen vermischt. Dadurch lassen sich die Eigenschaften des künftigen Papiers optimieren und an bestimmte Zwecke anpassen. Dabei kann es sich um Füllstoffe wie Kaolin, Talkum oder Kalziumkarbonat handeln, welche die Glätte, Opazität und Farbaufnahme beeinflussen. Bindemittel wie Stärke, Latex oder CMC helfen, die Fasern zusammenzuhalten und eine gleichmäßige Struktur zu gewährleisten. Des Weiteren können Farbstoffe, Enzyme zur Veränderung der Wasserbindung oder andere Hilfsstoffe hinzugefügt werden. Auch diese Zusatzstoffe müssen in Lagertanks oder Rührbehältern aufbewahrt und durch Rohrleitungen, Fittings und Ventile geschleust werden, die je nach Eigenschaften der Chemikalien ebenfalls aus Edelstahl oder anderen Hochleistungswerkstoffen gefertigt sein sollten.

In der Stoffaufbereitung kommen Refiner zum Einsatz, um Fasermaterial zu mahlen und die Fasern mechanisch zu bearbeiten. Dadurch lassen sich die Festigkeit und andere Eigenschaften des Papiers beeinflussen. Kegelrefiner bestehen aus einem Edelstahlgehäuse mit einem innenliegenden Rotor und Stator, die beide mit Schneidsegmenten ausgestattet sind. Das Faser-Wasser-Gemisch tritt an der Spitze des konischen Rotors in den Refiner ein und wird durch dessen Winkel, also die Konizität, nach außen geführt. Die eigentliche Mahlung findet im engen Spalt zwischen Rotor und Stator statt, wo die Fasern durch Scherkräfte aufgeschlossen und mechanisch bearbeitet werden.

Papiermaschine (Formung, Pressen, Trocknen)

In der Nasspartie, auch Sieb- oder Formerpartie genannt, beginnt die eigentliche Blattbildung. Hier wird der Papierstoff, ein Gemisch aus Zellstofffasern und Wasser, in die Papiermaschine geleitet. Der Prozess startet im sogenannten Stoffauflauf. Dabei wird das Faser-Wasser-Gemisch auf ein Sieb oder zwischen zwei Siebe gespritzt. Das überschüssige Wasser fließt sofort ab, während sich die Fasern zu einem zunehmend dichter werdenden Faservlies vernetzen. In dieser Phase entsteht der Grundkörper des späteren Papierblatts. Zentrale Bestandteile der Headbox und des umgebenden Approach Systems werden häufig aus rostfreiem Edelstahl gefertigt, insbesondere aus austenitischen Sorten wie 316L, da dieser Werkstoff gegen permanente Feuchtigkeitsbelastung, faserhaltiges Wasser und eine leichte chemische Beanspruchung beständig ist. Der Stoffauflauf, die Distributionseinheiten, die Düsen, die Rohrleitungen sowie die Metallgewebe der Siebe sind typischerweise aus Edelstahl gefertigt, um eine hohe Stabilität und eine einfache Reinigung bei der Blattbildung zu gewährleisten.

In der Presspartie wird die Papierbahn mit hoher Geschwindigkeit bewegt, wobei bis zu 50 Prozent des Wassergehalts mechanisch ausgepresst werden (90 Prozent des in diesem Prozess entnommenen Wassers werden üblicherweise recycelt). In Pressnips aus mit Hartgummi oder Keramik beschichteten Walzen wird das Wasser in Filze gepresst. Saugkästen (aus Edelstahl) saugen Wasser und Verunreinigungen aus den Pressfilzen ab. Nach der Presspartie erreicht die Papierbahn einen Trockengehalt von 40 bis zu 55 Prozent, in den Pressnips kurzfristig sogar bis zu 70 Prozent.

In der Trocknungs- und Trockenpartie wird die Papierbahn durch eine Reihe dampfbeheizter Trockenzylinder geführt. Diese erreichen Temperaturen von teils über hundert Grad Celsius. Diese Zylinder bestehen in der Regel aus Gusseisen oder kohlenstoffbasiertem Stahl und sind verchromt.

Endveredelung und Beschichtung

Nach der Trocknung wird das Papier häufig kaschiert, beschichtet oder veredelt. In Beschichtungsanlagen (Coater, Farbmischer, Leimpressen) kommen wässrige Dispersionssysteme zum Einsatz, die Bindemittel, Farbpigmente und Leime enthalten. Die hierfür verwendeten Verarbeitungsbehälter, Walzen und Pumpen sind in der Regel aus Edelstahl (meist 1.4301 oder 1.4404), da Leimsuspensionen zwar nicht korrosiv, aber abrasiv sein können. Kalanderwalzen zur Glättung bestehen typischerweise aus Stahl, ihre Lagersitze und Walzenwellen jedoch aus nichtrostendem Stahl. Auch Trockner für Spezialpapiere (mit Heißluft oder Infrarot) enthalten oft ein Gehäuse aus Edelstahl. In Schneid- und Wickelmaschinen, in denen das Papier auf die richtigen Maße geschnitten und auf Rollen gewickelt wird, sorgen schließlich Edelstahlwellen und -führungen für eine lange Lebensdauer und Rostfreiheit.

Quellen

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Sonja Wingels
Sonja ist Redakteurin bei der Edelstahl Aktuell. Nach ihrem Studium der Psychologie an der HHU in Düsseldorf und selbstständiger Arbeit als Content Creator nutzt sie nun diese Erfahrungen, um zum Erfolg der Zeitung beizutragen und ihr Fachwissen in der Edelstahlbranche zu vertiefen.

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Sonja Wingels
Sonja ist Redakteurin bei der Edelstahl Aktuell. Nach ihrem Studium der Psychologie an der HHU in Düsseldorf und selbstständiger Arbeit als Content Creator nutzt sie nun diese Erfahrungen, um zum Erfolg der Zeitung beizutragen und ihr Fachwissen in der Edelstahlbranche zu vertiefen.