Das Forschungsteam vom Interdisciplinary Centre for Advanced Materials Simulation (Icams) und vom Institut für Werkstoffe der Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat auch gezeigt, wie man mithilfe theoretischer Vorhersagen schneller zu neuen Materialien kommt. Die Gruppe berichtet in der Zeitschrift Physical Review Materials vom 21. Oktober 2019. Ihre Arbeit wurde als Editor’s suggestion hervorgehoben.

Unerwünschte Phase vermeiden

Formgedächtnislegierungen können nach einer Verformung ihre ursprüngliche Gestalt wieder einnehmen, wenn sich die Temperatur ändert. Diese Umformung beruht auf einer Umwandlung des Kristallgitters, in dem die Atome der Metalle angeordnet sind. Die Forscher sprechen von einer Phasenumwandlung. „Neben den erwünschten Phasen gibt es aber auch solche, die sich dauerhaft bilden und den Formgedächtniseffekt erheblich schwächen oder sogar völlig zerstören“, erklärt Dr. Jan Frenzel vom Institut für Werkstoffe. Die sogenannte Omega-Phase tritt jeweils bei einer bestimmten Temperatur auf, die von der Zusammensetzung des Materials abhängt. Viele bisherige Formgedächtnislegierungen für den Hochtemperaturbereich hielten jeweils nur wenige Verformungen aus, bevor sie durch die Bildung der Omega-Phase unbrauchbar wurden.

Vielversprechende Formgedächtnislegierungen für den Hochtemperatureinsatz basieren auf einer Mischung aus Titan und Tantal. Durch die Veränderung der Anteile dieser Metalle in der Legierung können die Forscher beeinflussen, bei welcher Temperatur die Omega-Phase eintritt. „Allerdings ist es leider so, dass man dadurch zwar diese Temperatur nach oben schieben kann, dabei aber auch die Temperatur der erwünschten Phasenumwandlung senkt“, so Jan Frenzel.

Titan, Gedächtnis, RUB

Vorhersage trifft genau ein

Alexander Paulsen stellte dann die von Alberto Ferrari berechnete Legierung im Institut für Werkstoffe her und prüfte ihre Eigenschaften im Experiment: Die Ergebnisse bestätigten die Berechnungen. Eine mikroskopische Untersuchung der Proben belegte später, dass tatsächlich auch nach vielen Verformungen keine Omega-Phase im Kristallgitter der Legierung zu finden war. „Wir haben damit nicht nur unser Grundlagenwissen über titanbasierte Formgedächtnislegierungen erweitert und mögliche neue Hochtemperaturformgedächtnislegierungen entwickelt“, so Jan Frenzel. „Es ist auch hervorragend, dass die Vorhersagen der Computersimulation so genau zutreffen.“ Da die Herstellung solcher Legierungen sehr aufwendig ist, verspricht die Umsetzung computergestützter Designvorschläge für neue Materialien wesentlich schnellere Erfolge.

Förderung

Die Arbeiten wurden finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Forschungsgruppe 1766 (Projektnummer 200999873). Teile der Berechnungen wurden auf Supercomputern der Swedish National Infrastructure for Computing im National Supercomputer Centre (NSC) in Linköping und im Center for High Performance Computing in Stockholm durchgeführt.

Originalveröffentlichung

Alberto Ferrari, Alexander Paulsen, Dennis Langenkämper, David Piorunek, Christoph Somsen, Jan Frenzel, Jutta Rogal, Gunther Eggeler, Ralf Drautz: Discovery of ω-free high-temperature Ti-Ta-X shape memory alloys from first-principles calculations, in: Physical Review Materials 2019, DOI: 10.1103/PhysRevMaterials.3.103605

Quelle: RUB

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.