Ins kalte Wasser geworfen und geschwommen
Eine Frau mit Verantwortung in einer – seien wir ehrlich – eher männerlastigen Branche. Das hat Nadine Bilstein nie als Handicap empfunden. Im Gegenteil. Seit ihrem Start ins Berufsleben ist sie der Branche treu geblieben und ihren Weg gegangen. Mit Edelstahl Aktuell hat sich die Vertriebsleiterin von ROLF KIND in Lindlar über die große Herausforderung der Mitarbeiterakquise, die beeindruckende Reise vom Rohblock zum Endprodukt sowie den Reiz des um-die-Ecke-Denkens ausgetauscht.
EA: Wie sind Sie in die Edelstahlbranche gelangt?
NB: Wie so viele in der Branche durch die Ausbildung. Ich habe nach dem Abitur eine Lehre zur Industriekauffrau in einem Unternehmen der Stahlindustrie absolviert. Zugegebenermaßen war die Branche meines Ausbildungsbetriebs für mich als junger Mensch nicht das ausschlaggebende Kriterium. Heute bin ich froh, kontinuierlich in dieser Branche gearbeitet zu haben und über das Fachwissen, das ich mir im Laufe der Jahre erarbeitet habe.
EA: Was macht für Sie die Faszination von Edelstahl aus?
NB: Edelstahl ist allgegenwärtig. Jeder kennt ihn, jeder nutzt ihn. Er kommt in unglaublich vielen verschiedenen Formen und Anwendungen vor. Speziell auf die Produkte von ROLF KIND bezogen, finde ich die Formgebung sehr spannend. Die Geburt von Edelstahl ist immer gleich: Material – mit entsprechender chemischer Analyse – wird erschmolzen. Aber wenn dann die brachialen Kräfte im Fertigungsprozess wirken, das Material im Schmiedeprozess wie Knete bearbeitet wird: Das fasziniert mich immer wieder. Und am Ende des Produktionsprozesses stehen dann die jeweiligen Endprodukte, die teilweise millimetergenau und einbaufertig bearbeitet an unsere Kunden ausgeliefert werden.
EA: Was ist heute Ihre Aufgabe?
NB: Ich arbeite seit Ende 2014 für ROLF KIND. Angefangen habe ich als Mitarbeiterin im Vertrieb. Seit 2017 leite ich das Vertriebsteam mit heute vier Mitarbeitern im Innendienst und zwei Außendienstlern sowie diversen Vertretern in einigen Ländern der Erde. Dabei sehe ich mich nicht als klassische Führung, eher als Koordinatorin. Ich bin die Schnittstelle zwischen Geschäftsführung und Vertrieb und halte die Fäden in der Hand.
EA: Wo sehen Sie die größte Herausforderung in Ihrem Bereich?
NB: Zum Einen sicherlich das Suchen und Finden von guten Mitarbeitern. Es kommt ja nicht nur auf das Fachwissen an, sondern er oder sie sollte in die Firma passen, die Unternehmenskultur mitleben können. Bei ROLF KIND zum Beispiel gibt es keine starre Führung, den Mitarbeitern werden viele Freiräume gegeben. Von meinen Teammitgliedern erwarte ich daher die Bereitschaft, um die Ecke zu denken, den Mut Dinge zu realisieren. Nicht umsonst heißt es bei ROLF KIND “We forge ahead.”
EA: Wo sehen Sie die größten Veränderungen der Branche in den vergangenen Jahren und zukünftig?
NB: Auch hier die Suche nach Mitarbeitern. Es ist sehr schwer gute Schmiede zu finden. Das Handwerk Schmied stirbt aus. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Schmiedebetriebe in Deutschland, insbesondere der kleineren Unternehmen, reduziert. Zusätzlich zu den geringeren Ausbildungsmöglichkeiten kommt die Herausforderung Jugendliche zu diesem ‚Knochenjob´ zu animieren.
EA: Welche Ziele wollen Sie beruflich noch erreichen?
NB: Ich hatte nie konkrete Karriereziele im Kopf, sondern habe vieles auf mich zukommen lassen. Getragen hat mich eine Mischung aus Interesse, dem Bestreben nicht stehenzubleiben, dem Wunsch nach Herausforderung und tatsächlich auch dem Treffen der richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt. Für mich ist es wichtiger, die Erfüllung im Job zu finden als immer höhere Ziele zu erreichen. Im besten Fall ist auch mein Arbeitgeber zufrieden. (Lacht) Trotzdem gilt: Nicht auszuruhen auf dem, was ich habe und nichts als selbstverständlich ansehen.
EA: Worauf sind Sie stolz?
NB: Eine wichtige, aber auch sehr persönliche Frage. Ich bin tatsächlich sehr stolz auf meine persönliche Entwicklung. ROLF KIND hat mich gefordert und gefördert. Ich habe heute eine anspruchsvolle Tätigkeit und in den letzten Jahren gelernt Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden und bin geschwommen.
EA: Wobei können Sie am besten abschalten und entspannen?
NB: Ein Fluch der globalen Aktivitäten ist sicherlich, dass rund um die Uhr gearbeitet wird, denn irgendwo ist immer Tag. Dadurch hat man häufig das Gefühl up-to-date sein zu müssen. Auch ich muss mich teils zwingen, abends wirklich abzuschalten. Das funktioniert gut beim Joggen. Ich bin in Bewegung kann trotzdem noch Gedanken sortieren. Abschalten kann ich auch gut beim Saxophonspielen. Das Instrument begleitet mich seit über 20 Jahren und seit einigen Jahren spiele ich in einer Bigband. Zur Zeit sind wir leider coronabedingt ein wenig ausgebremst, aber ich fiebere unserem ersten Konzert bereits entgegen. Und dann ist da noch mein junger Border-Terrier, der mich auf Trab hält.