Im Stahl geht keiner verloren
Ein Quereinsteiger, der mit einer gehörigen Portion Respekt sein Edelstahlleben begann und für ein gutes Barbecue auch mal nachts um drei Uhr aufsteht: Pierre Hermsdorf, Prokurist und Leiter Einkauf & Vertrieb bei Remystahl, im Gespräch mit Edelstahl Aktuell über nachhaltiges Wachstum und den berühmten roten Faden.
EA: Wie sind Sie in die Edelstahlbranche gelangt?
PH: Durch meine Stahlkontakte. Ich habe in einem Handelsunternehmen meine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann absolviert. In meinen Ausbildungs- und ersten Berufsjahren hatte ich ganz klassisch mit Qualitäts-Edelbaustahl zu tun. Nach einem mehrjährigen Abstecher in eine gänzlich andere Branche wurde ich vor fast sieben Jahren angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, in die Stahlbranche zurückzukehren; mit dem Nachsatz: „Ist allerdings Edelstahl.“ (Lacht.) Wie sagt man immer? Im Stahl geht keiner verloren. Trotzdem war es vergleichbar mit einem Quereinstieg. Der Edelstahlbereich ist eine Welt für sich.
EA: Was macht für Sie die Faszination von Edelstahl aus?
PH: Wo fange ich an und wo höre ich auf? Edelstahl ist unfassbar flexibel hinsichtlich seines Einsatzes. Diese Vielfalt: verschiedene Güten, wie z.B. die kaltzähigen oder die hochwarmfesten Werkstoffe. Den einen Edelstahl gibt es nicht: Edelstahl ist unglaublich komplex: Bedenken Sie allein die Vielfalt der Sonderwerkstoffe. Wenn ich einzelne Güten im Detail betrachte, fasziniert mich immer wieder aufs Neue, was diese alles können. Und wie mit wenigen Änderungen im Stahl Eigenschaften verändert werden können.
EA: Was ist heute Ihre Aufgabe?
PH: Ich leite den Einkauf und Verkauf bei Remystahl und bin Prokurist. Der Vertrieb hat mir immer sehr viel Spaß gemacht, ich bin Vertriebler aus Leidenschaft. Allerdings bin ich der Überzeugung, dass Einkauf und Verkauf zusammengehören. Es sind getrennte Bereiche, die trotzdem zusammenarbeiten. Und bei guter Zusammenarbeit Synergieeffekte erzielen. Sowohl Kunden als auch Werke nehmen Einfluss auf die Lieferkette und wirken ein. Bei manchen Branchen, die wir bedienen, ist es stärker wahrnehmbar als bei anderen.
EA: Wo sehen Sie die größte Herausforderung in Ihrem Bereich?
PH: Corona hat es deutlich gemacht: Die Digitalisierung fordert uns heraus. Für Remystahl ist sie 2023 ein großer Punkt auf der Agenda gewesen. Durch meine Prokuristenstelle bin ich in die administrativen Belange eingebunden: Eine neue Serverinfrastruktur haben wir in diesem Jahr bereits implementiert, auch die Umstellung auf Microsoft 365 ist abgeschlossen und zum Jahresende soll das ERP-System online gehen.
Zweiter drängender Punkt ist die Personalfindung. Es ist unglaublich schwer, heute gute Mitarbeiter zu finden, die langfristig an der Unternehmensentwicklung teilhaben wollen.
EA: Wo sehen Sie die größten Veränderungen der Branche in den vergangenen Jahren und zukünftig?
PH: Es gab 2022 eine Art Goldgräberstimmung in der Branche. Viele Marktbegleiter haben ein enormes Wachstum erlebt. Die unverhältnismäßigen hohen Bedarfe und Preissprünge gehören aber mittlerweile der Vergangenheit an. Man merkt, dass der Angriffskrieg und die daraus entstandene Energiepolitik, vielen Branchen extrem zusetzen. Ich denke, wir befinden uns an einem wegweisenden Punkt.
EA: Welche Ziele wollen Sie beruflich noch erreichen?
PH: Ich habe mir persönlich nie große Ziele gesetzt. Ein gewisser Bewegungsradius war mir allerdings immer wichtig. Eine bestimmte Position, aus der heraus ich mich einbringen kann, war nie der bestimmende Faktor. Stimmt die Leistung, kommt der Rest von alleine.
Dennoch möchte ich Einfluss nehmen und meinen Teil dazu beitragen, dass das Unternehmen Remystahl seinen Namen und Position weiter ausbaut und festigt. Es ist mir ein Anliegen, ein gesundes Wachstum zu verwirklichen und den Weg weiterzugehen, den wir begonnen haben. Wir haben viele Hebel in Bewegung gesetzt und es ist noch einiges in Planung.
EA: Worauf sind Sie stolz?
PH: Fragen Sie den Privatmann, dann sicherlich auf meine beiden Kinder, meine Frau und unsere Entwicklung als Familie. Beruflich bin ich stolz, dass wir bei Remystahl gemeinsam neue Geschäftsbereiche verwirklicht haben, wie etwa den Bereich Nickel, oder neu, die Medizintechnik. Wir haben ein gewisses Standing am Markt erreicht – diese Wertschätzung ist ein Erfolg, der mich sehr stolz macht. Und ich bin sehr stolz auf das überragende Team bei Remystahl, das unser Geschäftsführer Thomas Hlousek und ich zusammen geformt haben.
EA: Wobei können Sie am besten abschalten und entspannen?
PH: Für den Ausgleich brauche ich Fitness. Ich gehe bestimmt drei- bis viermal in der Woche morgens vor dem Büro joggen oder besuche ein Fitnessstudio. Mein Rückzugsort ist mein Smoker. Ich grille für mein Leben gern und probiere mich mit Vergnügen an ausgefallenen Gerichten. Das kann ich zelebrieren. So ein „long Job“ kann dann auch mal sechs bis siebzehn Stunden dauern. Das Barbecue hilft mir, mich zu zentrieren. Ich bringe mich ein für ein – meistens – gutes Ergebnis.