Jakob Rope Systems in Vietnam

Fotos: Oki Hiroyuki

 

Hinter dem grünen Vorhang bei Jakob Rope Systems in Vietnam

Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte entwickelten sich Bauweisen als Reaktion auf die lokalen klimatischen Bedingungen. In den letzten Jahrzehnten jedoch hat die scheinbar unbegrenzte Verfügbarkeit von Energie und Baustoffen Architekten, Projektentwickler und Bauherren dazu gebracht, die Vorteile altbewährter Techniken zu vergessen. Das neue Werk des Schweizer Unternehmens Jakob Rope Systems in Vietnam greift die traditionellen Baumethoden der Region wieder auf, kombiniert sie mit modernen Materialien und schafft so eine spektakuläre und nachhaltige grüne Wand aus molybdänhaltigen Edelstahlseilen und -netzen.

Ein Beitrag von Martina Helzel, International Molybdenum Association.

Grüne Fassaden absorbieren CO2, binden Staub und Luftschadstoffe, dämpfen den Lärm und reduzieren den Energiebedarf durch Beschattung und Wasserverdunstung. Mit zunehmendem Bewusstsein für nachhaltige Bauweisen entstehen weltweit spannende Beispiele für solche Fassaden, vor allem in Großstädten und Wohngebieten. Wie aber sieht es mit Industriegebieten aus, wo riesige, vollklimatisierte Fabrikhallen nicht nur viel Energie verbrauchen, sondern auch große Flächen versiegeln?

Auch die Region nördlich von Ho-Chi-Minh-Stadt (ehemals Saigon), Vietnams Finanzzentrum und größte Metropole, wird heute von derartigen Industrieparks geprägt. Das schnelle Wirtschaftswachstum und wenig Regulierungen führten dazu, dass sich neue Produktionsstätten mit rasanter Geschwindigkeit ausbreiten konnten. Während in der Vergangenheit in heißen und tropi­schen Klimazonen auf Verschattung und Durchlüftung zur Regulierung der Innentemperatur gesetzt wurde, sind die neuen Fabrikhallen vollständig geschlossen und klimatisiert, was einen enormen Energieverbrauch und Kosten verursacht. Die Gebäude und die dazugehörigen Straßen und Parkplätze versiegeln den Boden und verhindern die Versickerung von Regenwasser, so dass sich die Überschwemmungen in der Region erheblich verschlimmert haben.

Produktionsstätte für flexible Drahtseilnetze von Jakob Rope Systems
Luftaufnahme der Jakob-Fabrik. | ©Jacob AG

2008 begann der Schweizer Seilhersteller Jakob Rope Systems mit der Produktion seiner flexiblen Drahtseilnetze in einer solchen Fabrik. Mit dem Bau der zweiten Produktionsstätte, beschloss das Unternehmen, den Kurs zu ändern und auf die Umweltauswirkungen der industriellen Entwicklung mit einem atemberaubenden Design zu reagieren, das in dieser Gegend seinesgleichen sucht.

Aus der Vergangenheit lernen

Das 30.000 m2 große Gelände liegt im Zentrum eines Industrieparks 50 Kilometer nördlich von Ho Chi Minh City.

Mit ihrem Entwurf gelang es den Architekten rollimarchini architects und G8A ein nachhaltiges Produktionsgebäude zu entwerfen, das einem Klima mit einer Durchschnittstemperatur von etwa 27 °C und hoher Luft­feuchtigkeit standhält. Der Süden Vietnams ist außerdem saisonalen Taifunen mit starken Winden und Regenfällen ausgesetzt. Die Architekten begegneten diesen Herausforderungen mit einer Kombination aus modernen industriellen und lokalen traditionellen Bauweisen.

Weit überstehende Dächer über durchlässigen Wandkonstruktionen und schattenspendende Bepflanzungen boten vietnamesischen Häusern über Jahrhunderte Schutz vor Witterung und sorgten für ausreichende Belüftung. In Anlehnung an diese traditionellen Methoden schützen die weit auskragenden Dach- und Bodenplatten der Seilnetzfabrik den Innenraum, so dass große Teile der Fassade zum Außenraum hin offen sind. Aufgrund der Fassadenhöhe gewährleistet dieser Überstand jedoch keinen vollständigen Sonnen- und Regenschutz. Diese Aufgabe wird durch einen „hängenden Garten“ aus Pflanztrögen, die von Edelstahlseilen getragen werden, ergänzt. Die vertikale grüne Wand filtert Schadstoffe aus der Luft, beschattet die Innenräume und trägt durch Verdunstung zur Senkung der Temperatur bei.

Die Öffnung der Fassade für die natürliche Belüftung senkt deutlich Energiekosten und Emissionen. Wo die Fassade „geschlossen“ ist, dringt Sonnenlicht durch mobile Schiebewände aus lichtdurchlässigem Polycarbonat. Die Nutzung von Tageslicht für die Innenräume reduziert den Strombedarf der Fabrik weiter. Das Design der Fabrik spart aber nicht nur Strom, sondern auch bebaute Grundfläche. Anstelle der üblichen horizontalen Anordnung, haben die Architekten die erforderlichen Arbeitsbereiche übereinandergesetzt. Ein dreigeschossiges Produktions­gebäude, ein zweigeschossiges Verwaltungsge­bäude sowie überdachte Lager- und Parkplätze gruppieren sich um einen großzügigen Innenhof im Zentrum des Fabrikgeländes.

Mit Gras bewachsene „Pflanzinseln“ und Bäume akzentuieren den Innenhof. Die Gehwege zwischen den Inseln sind mit Kies bedeckt, so dass über­schüssiges Wasser versickern kann. Diese neuartige Anord­nung bietet den Mitarbeitern einen parkähnlichen Aufent­haltsbereich mit schatten­spendenden Bäumen, Sport­geräten Volleyball- und Tischtennisplätzen.

Aus der Vergangenheit lernen
Schiebetüren aus Polycarbonat, die vor den Fassadenstützen der Fabrik befestigt sind, können bei extremer Witterung geschlossen werden.
Edelstahl 316L
Die Edelstahlfassade der Jakob-Fabrik besteht aus zwei Lagen symmetrisch geneigter Seile, die auf neun Ebenen Pflanzgefäße mit Seilklemmverbindungen tragen.

Edelstahl 316L

Die Pflanzgefäße bestehen aus einem Grundrahmen aus Rechteckprofilen mit darüber gespannten Seilnetzen und einer darin eingelegten wasserdichten Schicht. Das Fassadensystem mit vollauto­matischer Bewässerungs- und Düngeanlage ist so berechnet, dass es den hohen Windlasten standhält und auch das mit dem Wachstum zunehmende Gewicht der Pflanzen berücksichtigt. Alle tragenden Komponenten sind aus rostfreiem Stahl 316L. Der zweiprozen­tige Molybdänanteil im Edelstahl ist von entschei­dender Bedeutung, um sowohl der Korrosion durch Düngemittel und andere Verbindungen in der Erde, als auch den Chloriden, die in der Umwelt vorhanden sind, entgegenzuwirken. Dies gilt insbesondere für die Seile, da die engen Spalten zwischen den einzelnen Drähten besonders anfällig für Spalt­korrosion sind.

Die grüne Fassade der Fabrik prägt ihren Charakter und ist ein Aushängeschild für Jakob Rope Systems. Sie signalisiert anderen Unterneh­men, sich zu „öffnen“ und die natürliche Belüftung und Belichtung sowie die Versickerung von Oberflächenwasser für geringere Umweltschäden und bessere Arbeitsbedingungen zu nutzen. Die ökologischen, ökonomischen und sozialen Verbesserungen, die durch diese nachhaltige Bauweise erreicht werden, könnten die weitere Entwicklung sowohl in Vietnam als auch weltweit beeinflussen. In tropischen, feuchten und küstennahen Regionen, die von solchen Konstruktionen profitieren, wird dabei molybdän-legierter Edelstahl mit seiner verbesserten Korrosionsbeständigkeit entscheidend sein.

Ein Aushängeschild für Jacob Rope Systems
Rahmen aus Stahlbeton durchbrechen die grüne Fassade und markieren die Eingänge in das Gebäude - hier vom Hof in die Kantine.
Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

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Alle Bilder wurden vor der COVID-19-Pandemie bzw. unter Einhaltung der Abstandsregeln aufgenommen.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.