Fotos: Studio C&C and MX3D
Obwohl der 3D-Druck überwiegend in der industriellen Fertigung eingesetzt wird, gewinnt er auch in der Bildhauerei an Bedeutung. Für eine Ausstellung in Turin, Italien, erschufen zwei Künstler eine nahezu lebensgroße Wal-Skulptur aus Edelstahl, die mithilfe robotergesteuerter 3D-Drucktechnologie gefertigt wurde. Die seilartige Struktur der Schweißnähte ahmt die Textur der Haut eines Buckelwals nach. Der 2-prozentige Molybdänanteil im Edelstahl Typ 316L trägt dazu bei, dass die raue Oberfläche der Wale makellos bleibt.
Ein Gastbeitrag von Karlee Williston, IMOA
Im Jahr 2022 durchbrechen im Garten des Königspalastes von Turin drei Buckelwale aus Stein und Metall ein Meer aus Gras. Wie beim Spiel echter Wale sind nur Teile von ihnen über der Oberfläche sichtbar, so dass man ihre wahre Größe nur erahnen kann. Der schlanke, aus dem „Wasser“ ragende Kopf eines dieser Wale erreicht eine Höhe von 5 Metern – wie viel mehr verbirgt sich wohl unter der Oberfläche? Diese Installation verdeutlicht auch die enorme Größe und Formenvielfalt, die mit einer 3D-Drucktechnik namens WAAM (Wire Arc Additive Manufacturing) möglich ist.
Im Gegensatz zum Pulvermaterial, das bei den meisten 3D-gedruckten Metallanwendungen verwendet wird, werden bei diesem robotergesteuerten Verfahren dreidimensionale Strukturen mit Schichten aus geschmolzenem Schweißdraht aufgebaut. Schweißdraht kostet etwa ein Fünftel im Vergleich zu Pulver und wird schneller aufgetragen. Die Geschwindigkeit und die geringeren Kosten von WAAM eröffnen spannende Möglichkeiten in der Fertigung – von Energietechnik und maritimen Anwendungen bis hin zu Kunst und Architektur.
Kombinierte Materialien erwecken den Riesen zum Leben
Die Künstler Paolo Alberti und Mariagrazia Abbaldo vom Studio C&C, die die Installation entworfen haben, ließen sich beim Tauchen in Tonga von Buckelwalen inspirieren. Sie fanden, dass die massiven Rücken der Wale wie poliertes Metall wirkten. Um die glänzenden Körper der Wale in ihrer Skulptur umzusetzen, verwendeten sie Edelstahl des Typs 316L. Die leuchtend weiße Unterseite des Buckelwals wurde mit Marmor eingefangen, der einen starken Kontrast zu der dunklen gedruckten Metalllegierung bildet. Die geschichteten Schweißdrähte glänzen und sind doch verwittert wie die Haut eines Wals. Solch raue Strukturen erhöhen jedoch die Wahrscheinlichkeit von Korrosion, da sie mehr Ecken, Ritzen und Oberflächen bieten, an denen sich korrosive Partikel anlagern können. Die molybdänhaltige Legierung des Typs 316L schützt die Skulptur besser vor Rostflecken als niedrigere Legierungen, so dass die Illusion von nasser, schimmernder Haut erhalten bleibt. Eine raue Oberfläche ist bei Anwendung des WAAM-Verfahrens unvermeidbar. Um dies zu auszugleichen, müssen die mit WAAM hergestellten Komponenten in allen relevanten Bereichen, die unbearbeitet bleiben, aus korrosionsbeständigeren Edelstahlsorten hergestellt werden.
3D-Druck reduziert Material und Gewicht
Der WAAM-Vorreiter MX3D fertigte die Wale in seiner Werkstatt in Amsterdam. Die Teile wurden in den größten verfügbaren Produktionszellen in bis zu 3 Meter langen Abschnitten gedruckt und anschließend manuell zusammengeschweißt. Im Gegensatz dazu sind die meisten mit additiver Fertigung hergestellten Objekte aus Metallpulver deutlich kleiner, da die Zellengröße des Druckers begrenzt ist. WAAM überwindet diese Beschränkung, indem ein Roboter eingesetzt wird, der das geschmolzene Metall Schicht für Schicht in einem offenen oder geschlossenen Raum auftragen kann. Die aus hauchdünnen, starren Schichten aufgebauten, wunderschön gearbeiteten Wale verbrauchen auch wesentlich weniger Material als eine vergleichbar große, konventionell hergestellte Edelstahlskulptur und sind dadurch viel leichter. Diese walgroßen Skulpturen stehen sinnbildlich für die buchstäblich wachsenden Möglichkeiten von 3D-gedruckten Metallstrukturen.
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