Laut aktueller Pressemitteilung hat Outokumpu mit der Forta H-Series eine neue, voll austenitische, nichtmagnetische Edelstahlgüte mit ultrahoher Festigkeit entwickelt, die in der Automobilindustrie zunehmendes Interesse findet. Sie ermögliche die Konstruktion robuster, langlebiger und gleichzeitig leichter Fahrzeugstrukturen. Darüber hinaus biete Forta H-Series eine kosteneffiziente Alternative zu Aluminium in Elektromotoren von Elektrofahrzeugen (EV) und anderen Anwendungen, die ein leistungsfähiges, nichtmagnetisches Material erfordern. Nach Unternehmensangaben behält diese Güte auch nach umfangreichen Umform-, Bearbeitungs- und Fügeverfahren ihre vollständig stabile, nichtmagnetische Mikrostruktur bei.
Bedeutung nichtmagnetischer Werkstoffe für EV-Motoren
Ein Elektromotor wandelt elektrischen Strom im Magnetfeld in eine Drehbewegung um. Die Effizienz hängt dabei entscheidend davon ab, das Magnetfeld gezielt zu formen und zu fokussieren. Für bestimmte Bauteile wie Stützringe oder Gehäuse sei daher ein nichtmagnetisches Material ideal, um den Einfluss auf das Magnetfeld zu minimieren. Der Grad der Nicht-Magnetisierbarkeit sei ebenfalls entscheidend – eine 99-prozentige Nichtmagnetizität könne gegenüber 97 Prozent einen erheblichen Effizienzgewinn bringen. Auch Konstruktion und Aufbau des Motors beeinflussen die Effizienz maßgeblich.
Magnetische und nichtmagnetische Edelstähle
Der Unterschied zwischen magnetischen und nichtmagnetischen Edelstählen ergibt sich aus ihrer Mikrostruktur. Reines Eisen kristallisiert in zwei Hauptformen: als Alpha-Eisen mit kubisch-raumzentriertem Gitter (Ferrit) und als Gamma-Eisen mit kubisch-flächenzentriertem Gitter (Austenit). Bei Raumtemperatur liegt Eisen als Ferrit vor, oberhalb von 911 °C als Austenit. Bestimmte Legierungselemente wie Nickel, Mangan, Kobalt oder Stickstoff stabilisieren Austenit auch bei Raumtemperatur. Dadurch unterscheiden sich austenitische Stähle in ihren Eigenschaften von ferritischen Stählen, insbesondere hinsichtlich der Korrosionsbeständigkeit. Für die Elektrotechnik ist der entscheidende Unterschied, dass ferritische Stähle ferromagnetisch, austenitische dagegen paramagnetisch, also nichtmagnetisch, sind.
Eine weitere wichtige Struktur ist Martensit. Beim raschen Abschrecken aus der Austenitphase werden Kohlenstoffatome im kubisch-raumzentriertem Gitter des Ferrits „eingesperrt“, was zu einer verzerrten Kristallstruktur mit hoher Härte führt. Martensit ist ferromagnetisch.
Forta H-Series – dauerhaft nichtmagnetisch durch Verzicht auf Martensitbildung
Konventionelle austenitische Stähle neigen bei Umformung, Bearbeitung oder Schweißen zur Martensitbildung, was ihre nichtmagnetischen Eigenschaften beeinträchtigen kann. Laut Outokumpu vermeidet die Forta H-Series dies durch eine gezielte Legierungsführung mit austenitstabilisierenden Elementen. Sie härtet nicht durch Martensitbildung, sondern über den Mechanismus der „Twinning Induced Plasticity“ (TWIP). Dieser bewirke eine hohe sofortige Verfestigungsrate und eine fortschreitende Verfeinerung der Mikrostruktur. Selbst bei Bohren, Drehen, Fräsen, Stanzen oder Schweißen bleibe die Mikrostruktur voll austenitisch und damit nichtmagnetisch.
Magnetische Permeabilität
Die magnetische Eigenschaft eines Werkstoffs wird durch seine relative Permeabilität beschrieben. Forta H-Series weist mit 1,006 einen sehr niedrigen Wert auf. Zum Vergleich: Kohlenstoffstahl liegt bei etwa 100, reines Eisen bei rund 5.000.
Anwendungsfelder im Elektromotor
Neben den nichtmagnetischen Eigenschaften bietet Forta H-Series hohe Festigkeit und Preisstabilität, da kein Nickel enthalten ist. Die Festigkeit bleibe auch bei Temperaturen deutlich oberhalb der in EV-Motoren möglichen 300 bis 350 °C erhalten. Damit eigne sich die Güte als leistungsfähige und wirtschaftliche Alternative zu Aluminiumlegierungen. Mögliche Einsatzbereiche seien unter anderem Motorgehäuse, Lagerschilde, Flanschdeckel und Stützscheiben.
Darüber hinaus könne Forta H-Series auch in anderen elektrischen Anwendungen eingesetzt werden, etwa in schnell schaltenden Magnetventilen, die zunehmend in Fahrzeugkomponenten wie Sitzen, Fensterhebern und Außenspiegeln verwendet werden.
Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)
Forta H-Series könne zudem dazu beitragen, steigende Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit zu erfüllen. Damit werde sichergestellt, dass kritische Fahrzeugkomponenten keine hochfrequenten Störungen aussenden und gleichzeitig unempfindlich gegenüber solchen Einflüssen bleiben. Dies sei besonders für Sicherheit und Zuverlässigkeit in zunehmend automatisierten Fahrzeugen von Bedeutung. Mit einer elektrischen Leitfähigkeit von 1,24 m/(Ω·mm²) – im Vergleich zu 28–36 m/(Ω·mm²) bei Aluminium – biete Forta H-Series eine 29-fach niedrigere Leitfähigkeit. Da abgestrahlte Leistung dem Quadrat der Leitfähigkeit folgt, sei die Abschirmwirkung um den Faktor 841 höher als bei Aluminium.