Raffinerie Lingen: bp plant integriertes Energiezentrum bis 2030

bp feierte am 26. August 2023 im Beisein von Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bau und Digitalisierung, das 70-jährige Jubiläum der Raffinerie in Lingen. Seit ihrem Start in 1953 spielt sie eine zentrale Rolle in der deutschen Industriegeschichte: Mit der Bereitstellung von Kraftstoffen, Heizöl und wichtigen chemischen Zwischenprodukten ist sie eng mit dem deutschen Energiesystem verbunden.

Im Rahmen des 70-jährigen Jubiläums der Raffinerie stellte bp seine Pläne für die Umgestaltung des Standorts vor. Bis zum Ende des Jahrzehnts will das Unternehmen die konventionelle Raffinerie in ein integriertes Energiezentrum entwickeln – eine Produktionsstätte, die den sich ändernden Energiebedarf mit einer Vielzahl von zunehmend emissionsärmeren Energielösungen deckt. In Lingen wolle sich bp insbesondere auf die Produktion von Biokraftstoffen und grünem Wasserstoff konzentrieren. Abhängig von den zukünftigen Marktentwicklungen und möglichen Skalierungsoptionen plane bp in Lingen hierfür Investitionen in Höhe eines mittleren bis hohen dreistelligen Millionenbetrages.

Grundstein für Umwandlung bereits gelegt

bp habe bereits den Grundstein für die Umwandlung der Raffinerie gelegt und erste Projektmeilensteine erreicht: Seit Februar 2022 produziert der Standort als erste industrielle Produktionsstätte in Deutschland nachhaltigen Flugkraftstoff aus gebrauchtem Speiseöl im sogenannten „Co-Processing“-Verfahren, bei dem die biogene Komponente gemeinsam mit Rohöl in den Anlagen verarbeitet wird. Diese alternativen Flugkraftstoffe sind als sogenannte Drop-In-Kraftstoffe kompatibel mit der bestehenden Flugzeugflotte und daher austauschbar mit konventionellem Kerosin. Mit dem im September geplanten Start eines 7-Tage-Versuchs zum Einsatz eines weiteren biogenen Einsatzstoffes im Raffinerieprozess, dem Öl der Carinata-Pflanze, werde bp einen nächsten wichtigen Meilenstein erreichen. Die Non-Food-Pflanze erhöhe die Verfügbarkeit von nachhaltigeren Rohstoffen für die biogene Verarbeitung erheblich, was sowohl für Deutschland als auch für die EU von strategischer Bedeutung ist.

Diese Projekte dienen als Ausgangspunkt für bp, um seine Biokraftstoffproduktion vor Ort schrittweise auszubauen. Dafür sollen die Anlagen der Raffinerie nach und nach so angepasst werden, dass sie einen höheren Anteil an alternativen Rohstoffen im „Co-Processing“-Verfahren mitverarbeiten können. Dies werde Deutschland und andere europäische Länder dabei unterstützen, die steigende Mindestbeimischungsquote an SAF (Sustainable Aviation Fuel, nachhaltiger Flugkraftstoff) der EU von bis zu 70 Prozent bis 2050 zu erreichen. Mit der steigenden Verarbeitung von Biokomponenten werde der Standort auch seine Produktion von HVO (Hydrated Vegetable Oil, hydrierte Pflanzenöle) und Bio-Naphtha erhöhen.

HVO – auch bekannt als erneuerbarer Diesel – kann laut bp als emissionsärmerer Ersatz für herkömmlichen Diesel in der bestehenden Infrastruktur verwendet werden. Bio-Naphtha, ein Nebenprodukt des Co-Processing-Verfahrens, könne fossiles Naphtha als wichtiges Ausgangsmaterial für die Herstellung emissionsärmerer Kraftstoffe und chemischer Zwischenprodukte ersetzen.

Projekt „Lingen Green Hydrogen“

Raffinerien sind Teil eines komplexen Energiesystems. Die Umgestaltung der Raffinerie erfordere daher nicht nur eine Anpassung der Anlagen vor Ort, sondern auch der Energiequellen. In Zukunft soll der graue Wasserstoff, der derzeit für verschiedene industrielle Prozesse vor Ort verwendet wird, schrittweise durch grünen Wasserstoff ersetzt werden.

Zu diesem Zweck habe bp bereits erste Projekte in Deutschland auf den Weg gebracht. Mit dem Projekt „Lingen Green Hydrogen“ wolle das Unternehmen am Standort Lingen einen 100-MW-Elektrolyseur installieren, der später auf mehr als 500 MW aufgestockt werden könne, um mehrere Tonnen grünen Wasserstoff pro Stunde zu produzieren. Er könne dazu beitragen, den für die industriellen Prozesse am Standort benötigten grünen Wasserstoff zu liefern und damit die CO2-Emissionen erheblich zu reduzieren. Darüber hinaus soll der grüne Wasserstoff auch Kunden in ganz Europa zur Verfügung gestellt werden. Das Projekt befinde sich bereits in einem fortgeschrittenen Planungsstadium. Wenn die IPCEI-Förderung in diesem Jahr von der Europäischen Kommission genehmigt werde, könnte der Elektrolyseur Anfang 2026 in Betrieb genommen werden. Der benötigte Strom aus erneuerbaren Energien könnte perspektivisch auch aus den bp eigenen Offshore-Windprojekten stammen. Im Juli dieses Jahres hat bp den Zuschlag für zwei Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee erhalten. bp prüfe darüber hinaus weitere Wasserstoffprojekte, darunter ein potenzielles Importprojekt in Wilhelmshaven.

Durch die Anpassung der Produktion werde der Standort Lingen in der Lage sein, seine Scope 1 Emissionen um bis zu 60 Prozent zu reduzieren. Neben den genannten emissionsärmeren Lösungen werde Lingen auch weiterhin konventionelle Brennstoffe, Energie und Industrieprodukte zur Verfügung stellen, um die Versorgungssicherheit und eine geordnete Energiewende zu gewährleisten.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.