Autor: Michael Vehreschild

Auf das Recyceln von Schrott setzen bereits seit längerem beispielsweise die Deutschen Edelstahlwerke (DEW), ein Unternehmen der Swiss Steel Group. Um seine Kunden weiterhin zuverlässig mit Stahlprodukten beliefern zu können, arbeitet das Unternehmen seit 2012 eng mit seinem Tochterunternehmen, der dhi Rohstoffmanagement GmbH, zusammen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, recycelten Schrott für den gezielten Einsatz bei der DEW zu generieren und so für die sichere Belieferung der Stahlwerke zu sorgen.

Stahl ist in Europa knapp geworden

Denn in Europa ist der Stahl knapp geworden, da viele Unternehmen ihre Läger auffüllen und die Produktion nach der Corona-Krise wieder hochfahren. Umso wichtiger ist es, dass sich die Kunden auf eine zuverlässige Versorgung mit Stahlprodukten verlassen können. „Um die Schrottversorgung für die DEW nachhaltig sicherzustellen, arbeitet die dhi mit regionalen Zulieferern und handelt damit ressourcenschonender als bei Käufen aus dem Ausland“, sagt Boris Weiffen, Leiter Handel bei der dhi Rohstoffmanagement GmbH. Die DEW setzen für Beschaffung, Aufbereitung und Logistik von Stahlschrott auf die dhi – „und haben sich mit Blick auf die begehrte Ressource frühzeitig zukunftssicher aufgestellt“.

Globale Herausforderungen, regionale Lösungen

Die dhi Rohstoffmanagement GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Edelstahlwerke Services GmbH (51 Prozent) und der Horn Industrial Services GmbH. (49 Prozent). Das Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, unlegierte und legierte Schrotte zu beschaffen und diese dann für den Einsatz in den DEW eigenen Stahlwerken aufzubereiten. „Hierdurch unterstützt die dhi das Bemühen aller Unternehmen in der Wertschöpfungskette, die CO₂-Emissionen weiter zu senken“, betont das Unternehmen. Durch den Aufbau regionaler Netzwerke und das Know-how bei der Aufbereitung und Zusammenstellung der Schrotte werden Anfahrtswege minimiert und der Einsatz von Primärlegierungen reduziert.
Aber wie ist das bei einer Menge von ca. 800.000 Tonnen Schrott pro Jahr möglich? „Die feine Unterteilung des Schrotts in mehr als hundert verschiedene Materialgruppen gelingt dank elaborierter, digital gestützter Verfahren, wie der Röntgenfluoreszenz- und Spektralanalyse, und dank intensiver Zusammenarbeit mit allen Beteiligten“, erklärt das Unternehmen. Zu den wichtigsten Partnern gehören Stahlverarbeiter und Schrotthändler.

 

Blech

 

Umweltschonender Ansatz

Auch um die anschließenden logistischen Prozesse kümmert sich die dhi. So werden die gewünschten Werkstoffe just-in-time an die DEW-eigenen Werke geliefert. „Unser Ziel ist es, die Analyse und Aufbereitung des Schrotts immer weiter zu verbessern und mehr und mehr Primärlegierungen durch Sekundärrohstoffe zu ersetzen. Dieser Ansatz ist umwelt- und ressourcenschonend. Denn statt Rohstoffe von weit her zu beziehen, erhalten die DEW regionale Ware“, erläutert Boris Weiffen. Damit unterstützt die dhi auch das Green Steel-Konzept der DEW und arbeitet an einer kontinuierlichen Verbesserung der CO₂-Emissionen des sogenannten „Scope 3 upstream“, das heißt einer Reduzierung der CO₂-Emissionen der DEW vorgelagerten Prozesse und Produkte.

 

BDSV sieht CO₂-Einsparpotenzial

Das CO₂-Einsparpotenzial von Stahlschrott betont auch die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen e. V. (BDSV). Dieses Potenzial solle durch den Einsatz von mehr Stahlschrott in der Stahlherstellung genutzt werden. Das fordert die BDSV anlässlich des im Bundeskabinett beschlossenen überarbeiteten Klimaschutzgesetzes.

Wesentlicher Bestandteil der Umsetzung der neuen, ambitionierten Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen ist aus Sicht der BDSV die Überarbeitung des „Handlungskonzepts Stahl“ der Bundesregierung. „Während die wasserstoffbasierte Stahlherstellung mit Milliardenbeträgen staatlich subventioniert wird, findet der erhöhte Einsatz von klimafreundlichen Stahlschrott bei der Stahlherstellung in diesem Konzept bislang kaum Berücksichtigung, geschweige denn, dass eine Förderung vorgesehen ist“, erklärt die BDSV.

Schrotteinsatz weiter steigern

Dabei würden zahlreiche Studien belegen, wie zum Beispiel die Studie Schrottbonus des Instituts Fraunhofer IMW, dass der Einsatz des Sekundärrohstoffs Stahlschrott Umwelt- und Klimakosten in Milliardenhöhe einspart. Im Vergleich zur Erzeugung einer Tonne Stahl auf Basis von Erz und Kokskohle werden beim Einsatz von Stahlschrott 1,67 Tonnen CO₂-Emissionen vermieden. Zudem müssen Primärrohstoffe in den Herkunftsländern nicht aufwendig abgebaut und über lange Distanzen transportiert werden.

Zur Steigerung des Schrottanteils an der Stahlherstellung sieht die BDSV zwei wesentliche Ansätze: In der Hochofenroute kann der Schrotteinsatz von derzeit 15 bis 17 weiter gesteigert werden. „Dies wird auch in der Wasserstoff-basierten Stahlherstellung möglich sein“, glaubt die Vereinigung. Die weitere, noch effizientere Alternative ist der Ausbau der schrottbasierten Elektroofenroute, in der ebenfalls hochwertiger Stahl erzeugt wird.

„Stahlrecyclingbranche als CO₂-Einsparer“

Um den Schrotteinsatz weiter zu steigern, sind auch hochwertige Aufbereitungsverfahren notwendig, die in vielen Bereichen derzeit noch nicht wirtschaftlich möglich sind. Förderanträge und Zuschüsse für ein BDSV Projekt „Grünbuch Stahlschrott“, mit dem der Ausbau der CO2-armen Stahlherstellung auf Basis von Schrott erforscht werden soll, sind bislang allesamt abgelehnt worden. Die Stahlbranche hingegen werde im Bereich der Wasserstoff-basierten Stahlherstellung mit Milliardenbeträgen staatlich subventioniert.

Zur Erreichung der noch höher gesteckten Klimaschutzziele müssen nach Auffassung der BDSV nun alle Potenziale ausgenutzt werden: Stahlschrott ist in ausreichender Menge vorhanden und wird auch in Zukunft immer als Sekundärrohstoff zur Verfügung stehen. „Es ist an der Zeit, dass die Stahlrecyclingbranche als wesentlicher CO₂-Einsparer und als bedeutendes Glied in der Wertschöpfungskette Stahl anerkannt wird. Denn ohne Schrott kein grüner Stahl.“

 

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.