„Meine Damen und Herren,
„Wo steht die Automobilindustrie und wann kommen die Innovationen auf die Straße?“ Das sind die beiden Fragen, die das Handelsblatt in diesem Part des Auto Gipfel 2019 gestellt hat.
Ich möchte das gerne ergänzen um die Frage „Wohin gehen wir?“ Welche Perspektiven hat diese Industrie?
Ich möchte das gerne ergänzen um die Frage „Wohin gehen wir?“ Welche Perspektiven hat diese Industrie?
Es mag Sie überraschen, wenn ich die These aufstelle, dass die Automobilindustrie – und hier vor allem die deutsche – ihre besten Zeiten noch vor sich hat.
Warum?
Weil wir weltweit die beste Expertise bei Produkt- und Prozessintegration und -innovation entlang einer hochkomplexen Wertschöpfungskette haben. Weil wir Industrie 4.0 umgesetzt und auf höchstem Stand weiterentwickelt haben. Weil wir eine Wertschöpfungskette aus kleinen und mittleren Unternehmen, Startups, Wissenschaft und Forschung und großen Industrieunternehmen entwickelt haben, die ihresgleichen sucht.
Das ist das Erreichte. Hier der Blick nach vorn:
Weil weltweit der Wunsch der Menschen nach individueller Mobilität nicht schwächer, sondern stärker wird. Weil das Auto seine letzten „Baustellen“ schließt – damit meine ich sowohl Schadstoffemissionen als auch CO2.
Weil Elektromobilität nachhaltige und emissionsfreie Mobilität ermöglicht, und weitere Alternativen den Mix erweitern werden. Ergänzt wird dies durch die enormen Chancen, die uns Digitalisierung und Vernetzung bieten, gerade bei der urbanen Mobilität.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich stehen wir vor enormen Herausforderungen – konjunkturell, handelspolitisch, klimapolitisch, technologisch. Zudem treten neue Anbieter auf den Markt, der Wettbewerb wird also an Schärfe zunehmen.
Aber gerade deshalb bin ich davon überzeugt, dass die deutsche Automobilindustrie gestärkt aus dieser Transformation hervorgehen wird. Der Blick auf die vergangenen 30 Jahre, die keineswegs ein Spaziergang waren, stimmt mich zuversichtlich: Unsere Mitgliedsunternehmen – Hersteller und Zulieferer – haben mit hohen FuE-Investitionen ihre Produkte immer weiter verbessert und ihre internationale Position stetig ausgebaut, das gilt vor allem für das Premiumsegment.
Wir haben keinen Anlass zur Verzagtheit. Es sind nicht die Staubsaugerhersteller, Briefzusteller oder Tech-Firmen, die die innovativen Automobile auf den Markt bringen. Wir packen die Aufgaben an und lösen sie. Im Folgenden gehe ich auf die einzelnen Punkte ein.
Wenn wir uns die öffentliche Diskussion in Deutschland in den vergangenen Monaten anschauen, könnte man den Eindruck gewinnen, das Auto habe seine Attraktivität verloren und finde kaum noch Zustimmung in der Bevölkerung. Ist das tatsächlich die Meinung „der Gesellschaft“?
Hier die Fakten:
Der Pkw-Weltmarkt ist seit dem Jahr 2009 um 47 Prozent gestiegen – auf 84 Millionen Fahrzeuge im Jahr 2018.
Der Online-Handel, die Logistik der „letzten Meile“ und das geänderte Käuferverhalten führten dazu, dass sich seit der Jahrtausendwende allein in Deutschland die KEP-Paketzahlen mehr als verdoppelt haben – auf 3,5 Milliarden (2018). Täglich gehen 12 Millionen Paketsendungen an 7 Millionen Empfänger. Tendenz: weiter steigend.
Jahr für Jahr werden in Deutschland mehr als 3 Millionen Pkw neu zugelassen. Dafür gaben die Kunden 2018 im Schnitt über 31.000 Euro aus (DAT Report 2019) – der Wert ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.
Hinzu kommen über 7 Millionen Besitzumschreibungen. Wir reden also über gut 10 Millionen Kaufentscheidungen pro Jahr.
Der Pkw-Bestand liegt bei 47 Millionen Autos – und ist höher als je zuvor. Und: Neun von zehn dieser Autos haben private Halter.
Auf 1.000 Einwohner kommen 566 Pkw in Deutschland.
Übrigens steigt seit einigen Jahren auch die Zahl der motorisierten Menschen zwischen 18 und 24 Jahren wieder. 2018 lag der Motorisierungsgrad dieser Gruppe bei 168 Pkw je 1.000 Personen, 2017 waren es 166, 2016 164.
56 Millionen Bürger in Deutschland besitzen einen Führerschein – das sind vier von fünf Erwachsenen (über 18 Jahre). Umso wichtiger ist es, die übergreifenden gesellschaftlichen Anliegen in Einklang zu bringen: Individuelle Mobilität zu sichern und gleichzeitig Klimaschutz, saubere Umwelt, Verkehrssicherheit, lebenswerte Städte voranzutreiben.
Deswegen: Unsere Autos sind immer sicherer, sparsamer, effizienter, sauberer und komfortabler geworden. „Nie waren Autos so gut wie heute“. Diese Überschrift hat „auto motor und sport“ für seinen umfangreichen aktuellen Report gewählt.
Die ams-Journalisten haben selbst gestaunt, zu welcher Reife es das Auto gebracht hat:
Heute sind Autos viel zuverlässiger und halten wesentlich länger als früher, nämlich 18 Jahre. Sie sind viel sparsamer im Verbrauch. Moderne Autos haben nur noch sehr niedrige Schadstoffemissionen, auch auf der Straße. Moderne Autos sind so sicher wie nie zuvor. Zudem steigt der Komfort, dank Assistenzsystemen und Konnektivität.
Fazit der Redaktion: Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass diese Entwicklung jetzt plötzlich endet. Ich kann das nur unterstreichen. Es geht eben nicht um die Frage Klimaschutz oder Auto. Sondern es geht darum, wie wir beide Erfordernisse – CO2-Reduktion und nachhaltige individuelle Mobilität – gemeinsam erfüllen. Wer meint, er könnte all das vor allem über Verbote erreichen, ist ökonomisch, ökologisch und politisch auf dem Holzweg. Individuelle Freiheit, individuelle Mobilität, wirtschaftliches Wachstum und Nachhaltigkeit gehören zusammen – sie sind Bestandteil unserer offenen, demokratischen westlichen Welt. Dass individuelle Freiheit nicht schrankenlos sein kann, dass sie stets eingebettet ist in ein Rechtssystem, das innere und äußere Sicherheit, eine leistungsfähige Verwaltung und Infrastruktur gewährleistet, sei hier besonders betont.
Dazu gehört aber auch, dass die politische Willensbildung in einem demokratischen Diskurs erfolgt, der Andersdenkende nicht ausgrenzt, sondern zu Wort kommen lässt. Dazu gehört der Austausch der Argumente. Wir haben diesen Dialog geführt – vor und während der IAA -, und wir machen damit weiter, gerade auch mit unseren Kritikern. Wir sind davon überzeugt: Es ist immer besser, miteinander zu reden statt übereinander.
Bilder: Pixabay
Wer hingegen fremde Autos (SUV) mit stigmatisierenden Aufklebern versieht, wer einen Tag lang die IAA oder wochenlang zentrale Verkehrsknotenpunkte (etwa in Berlin) blockiert, wer die Entladerampe eines Autotransportschiffes im Nordhafen von Bremerhaven besetzt und die Entladung von SUV behindert, muss sich fragen lassen, wie er es mit der berühmten Freiheit der Andersdenkenden hält. Das ist nicht die Begleitmusik einer offenen, innovativen Gesellschaft.
Auch wir wollen und werden unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Und dieser Beitrag besteht allerdings nicht in einem Verzichtsgebot an die Bürger, sondern in technologischer Innovation. Technischer Fortschritt verbessert unsere Umwelt, schafft Beschäftigung und Wohlstand. Da sehe ich unsere Industrie auf gutem Weg: Bis zum Jahr 2023 verfünffachen wir das Angebot an E-Modellen auf über 150, wir investieren in die Elektromobilität in den nächsten drei Jahren gut 40 Milliarden Euro.
Wenn also die Frage gestellt wird, „Wann kommen die Innovationen auf die Straße“, dann ist die Antwort: Viele sind schon da. Zahlreiche Assistenzsysteme – Abstandsregeltempomat, Nachtsichtassistent, Notbremsassistent, Reifendruck-sensor, Spurhalteassistent, Spurwechselassistent – haben vor allem die aktive Fahrzeugsicherheit deutlich verbessert.
Auch das adaptive Kurven- und Abbiegelicht sowie den Fernlichtassistenten zähle ich dazu. Auf der Komfortseite sind der Einparkassistent, die Rückfahrkamera und das Head-up-Display zu nennen. Via Bluetooth, Internet und Navigationssystem – kombiniert mit Sprachsteuerung – findet Connectivity Einzug im Fahrzeug. Das ist ein stetiger Prozess, der nicht eines Tages aufhört, sondern uns immer weiter vorantreibt. Dazu gehören – neben der Elektromobilität – Digitalisierung, Vernetzung und automatisiertes Fahren. Allein hierfür geben wir in den nächsten drei Jahren rund 18 Milliarden Euro aus. Dieser nachhaltige Innovationswille hat uns zur führenden Industriebranche gemacht – und das bleiben wir.
Die sehr anspruchsvollen CO2-Ziele der EU bis 2030 sind nur mit einem raschen und nachhaltigen Hochlauf der Elektromobilität zu erfüllen. Umgerechnet heißt das: Im Jahr 2030 müssen auf Deutschlands Straßen 7 bis 10,5 Millionen E-Autos unterwegs sein. Es geht hier um mehr als die Markteinführung einer Innovation – es geht um einen politisch und gesellschaftlich gewollten Systemwechsel. Deshalb wird das E-Modellangebot massiv ausgerollt. Lassen Sie sich begeistern.
Notwendig für die Marktdurchdringung ist aber auch die entsprechende Ladeinfrastruktur. Hier ist auch die Politik gefordert. Die Ladeinfrastruktur im öffentlichen und privaten Raum muss rasch, nachhaltig und flächendeckend ausgebaut werden. Die heute vorhandenen gut 20.000 öffentliche Ladepunkte reichen nicht. Notwendig bis 2030 sind 1 Millionen öffentliche Ladepunkte, zusätzlich 100.000 Schnellladepunkte und mehrere Millionen private Ladepunkte.
Die Politik hat damit im Bund wichtige Weichen gestellt. Das ist ein richtiger Schritt. Aber auch die Kommunen müssen das Thema intensiv treiben. Sie wissen am besten, wo die Nachfrage nach Ladestrom am höchsten ist, wie viel Platz notwendig ist, wie Einzelhandel und Parkhaus-Betreiber angesprochen werden können. Die Kommunen sind der ideale Steuermann für den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Auch die deutsche Automobilindustrie leistet einen erheblichen Beitrag. Bereits heute stellen Hersteller und Zulieferer weit über 5.000 Ladepunkte an ihren Standorten zur Verfügung – für Mitarbeiter und Kunden. Die Zahl der betrieblichen Ladepunkte wird weiter stark steigen, denn das Firmengelände ist ein hervorragender Ladeplatz. Bis zum Jahr 2030 rechnen wir damit, dass unsere Mitgliedsunternehmen an ihren deutschen Standorten rund 100.000 Ladepunkte errichten werden.
Zudem ergreift die Automobilindustrie ein ganzes Maßnahmenbündel, um Kunden das Laden zu vereinfachen, beispielsweise durch Unterstützung beim Laden zu Hause, bei der Ausgestaltung der Ladevorgänge, bei Informationen zum Zugang zur öffentlichen Ladeinfrastruktur und beim Roaming.
Überdies baut die Automobilindustrie mit dem Gemeinschaftsunternehmen Ionity sehr zügig ein Schnelladenetz entlang der Hauptverkehrsstrecken auf – bis Ende nächsten Jahres werden es rund 100 Ladestandorte in Deutschland sein, mehr als die Hälfte ist heute schon in Betrieb. Sie sehen: Auch wenn das Errichten von Ladeinfrastruktur nicht unser Kerngeschäft ist: Wir gehen voran – weil wir den Erfolg wollen, den Erfolg der Elektromobilität.
Unser Schwerpunkt der Aufmerksamkeit liegt zwar derzeit auf der Elektromobilität (BEV/PHEV), aber wir blenden andere Optionen nicht aus: Wasserstoff- und Brennstoffzelle bleiben ebenso auf der Agenda wie klimaneutrale synthetische Kraftstoffe (E-Fuels). Denn wir brauchen diese mit Blick auf die Klimaziele 2050. Zudem wird der moderne Verbrennungsmotor noch viele Jahre benötigt – in Deutschland, in Europa und weltweit. Besonders in Europa ist der effiziente und saubere Diesel unverzichtbar, um die CO2-Ziele zu erreichen. Bemerkenswert: Die deutschen Konzernmarken haben in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Inland ihren Absatz von Diesel-Pkw um 8 Prozent gesteigert, allein im September erzielten sie ein Plus von 32 Prozent. Offensichtlich erkennen immer mehr Kunden die Vorteile des modernen Diesel-Pkw – das ist gut fürs Klima und für die CO2-Bilanz unserer Unternehmen.
Natürlich sehen wir die konjunkturellen und handelspolitischen Risiken, mit denen wir es derzeit zu tun haben. Der chinesische Markt wird auch in diesem Jahr rückläufig sein. Allerdings haben die deutschen Hersteller in den ersten neun Monaten gegen den Trend ihren Marktanteil in China auf 24,5 Prozent steigern können (Vorjahr: 22,1 Prozent).
Für Europa und die USA erwarten wir ein Niveau leicht unter Vorjahr. Es fehlen also Wachstumsimpulse. Das spüren Hersteller und Zulieferer. Und sie reagieren darauf: Mit Effizienzsteigerungsprogrammen, Kostensenkung, Modelloffensiven.
Wir machen uns nichts vor: Die Zeiten werden härter. Aber diese Industrie hat sich stets dem Wettbewerb gestellt, sie verfügt über die nötige Flexibilität, Entschlossenheit und Know-how, um mit Krisen fertig zu werden. Allerdings wird uns das alle enorm fordern. In Richtung Politik heißt das: Es ist höchste Zeit, den Produktions- und Innovationsstandort Deutschland wetterfest zu machen. Da geht es um Energiekosten, Unternehmenssteuern, Lohnzusatzkosten. Die Stellschrauben sind bekannt und müssen nur genutzt werden.
Was die Unternehmen jetzt überhaupt nicht gebrauchen können, sind zusätzliche Lasten. Denn auch die handelspolitischen Risiken sind noch keineswegs ausgeräumt: Das betrifft den Brexit ebenso wie die Zollstreitigkeiten zwischen den USA und der EU. Als Exportland brauchen wir weiterhin den freien Zugang zu den Weltmärkten. Die kommende EU-Kommission hat hier eine ihrer Hauptaufgaben zu meistern.
Ich fasse zusammen:
- Wir haben weltweit die beste Expertise bei Produkt- und Prozessintegration und -innovation.
- Wir setzen Industrie 4.0 um und treiben sie voran.
- Wir haben eine Wertschöpfungskette entwickelt, die kleine, mittlere und große Unternehmen umfasst, hinzu kommen Startups, Wissenschaft und Forschung – das ist im internationalen Vergleich einzigartig.
- Ich sehe weltweit den ausgeprägten Wunsch der Menschen nach nachhaltiger individueller Mobilität.Unsere Industrie liefert hierfür die Antworten: neue, überzeugende Produkte, Vernetzung, Digitalisierung.
- Die deutsche Automobilindustrie rollt ihre Modelloffensive von Fahrzeugen mit E-Antrieb aus – und leistet einen erheblichen Beitrag zum Aufbau der Ladeinfrastruktur.
- Individuelle Freiheit und individuelle Mobilität gehören zusammen. Sie sind ein hohes Gut, das wir verteidigen werden.
- Klimaschutz und Automobil sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille. Die Menschen wollen beides. Moderne Autos sind Teil der Lösung, nicht Teil des Problems.
Unser „Rezept“: Innovation statt Verbote.
Angesichts der konjunkturellen und handelspolitischen Risiken müssen wir den Industriestandort Deutschland so fit machen, dass er den nächsten „Iron Man“-Wettbewerb besteht. Die Zeit der Umverteilung ist vorbei, wir brauchen wieder mehr Effizienz.
Wenn wir – Politik, Industrie und Gewerkschaften – uns gemeinsam anstrengen, haben wir alle Chancen, um Wachstum, Innovation und Wohlstand am Standort Deutschland auch in den nächsten zehn Jahren zu steigern.
Deutschland braucht mehr Mut, mehr Zuversicht, mehr Gestaltungswillen – die deutsche Automobilindustrie übernimmt hier die Vorreiterrolle! Wir bringen Innovationen erfolgreich auf die Straße – jetzt und in Zukunft!
Quelle: VDA