Fotos & Grafiken: Rimex Metals
Für die Städtischen Werke Magdeburg (SWM) hat die sichere Stromversorgung einer knappen Viertelmillion Einwohner der Landeshauptstadt naturgemäß Priorität. Die 40 Jahre alte 110-kV-Schaltanlage und das sie umgebende Gebäude zu erneuern, war eine technische Notwendigkeit. Ein Gestaltungswettbewerb lieferte letztendlich die Idee zur Umwandlung der nüchternen Anlage in einen einzigartigen Blickfang, mit einer blau changierenden Edelstahlfassade.
Ein Beitrag von Bruno Rösch, Rimex Metals (Deutschland) GmbH.
Den Einfluss des Funktionsgebäudes auf das Stadtbild, insbesondere aufgrund seiner Lage im attraktiven Stadtplanungsgebiet „Elbarkaden“, wollte SWM dabei jedoch nicht außer Acht lassen. Der Zahn der Zeit hatte der in den Jahren 1980/81 errichteten Betonfertigteilkonstruktion zwischenzeitlich derart zugesetzt, dass eine Sanierung für die Schaltanlage an der Sandtorstraße in Magdeburg – auch aus wirtschaftlichen Gründen – nicht mehr in Frage kam. Die seit den 80er Jahren erfolgte Weiterentwicklung der Technologie machte zudem eine deutlich kompaktere Bauweise mit nur etwa einem Drittel des bisherigen Platzbedarfs möglich.
Zwar stand für die Neuerrichtung der Schaltanlage – eine von zwei Einrichtungen, auf deren Grundlage die Stromversorgung der Stadt Magdeburg basiert – die praktische Erwägung im Vordergrund, die Verantwortlichen wollten aber auch optisch auf Erneuerung setzen. Die architektonische Umsetzung machten die Stadtwerke deshalb zum Gegenstand eines Gestaltungswettbewerbs. Den Zuschlag hierfür erhielt im März 2020 der Entwurf des verantwortlichen Architekten der META architektur GmbH, Alexander Schlee.
Blauschimmernde Oberfläche
Der Wettbewerbsentwurf setzte die Ziele hoch. Eine 15 Grad Überkopf geneigte, blauschimmernde Fassade sollte den Ersatzneubau bekleiden. Bereits im Sommer 2019 begann Alexander Schlee als verantwortlicher Architekt im Rahmen der Konzepterstellung für die Teilnahme am Gestaltungswettbewerb der SWM mit der Suche nach einem geeigneten Material für die Fassadengestaltung.
Mit den Oberflächen der Rimex Metals hatte Alexander Schlee den gewünschten metallischen Glanz und die changierende Färbung in Rimex Blue ColourTex, einem Farbton zwischen hellem Türkis und sattem Dunkelblau, gefunden. Die Auswahl fiel schließlich auf das Produkt 5WL Blue ColourTex. Ein Edelstahlblech der Werkstoffqualität 1.4301 mit einer 5WL Walzung und einer blauen Färbung. Das Vormaterial ist ein 0,6mm starkes blank geglühtes Edelstahlblech in der Werkstoffqualität 1.4301.Die Qualität blankgeglüht, oder Bright Annealed (BA) genannt, sorgt für einen schönen edlen Glanz, die Walzung 5WL erzeugt eine feine Texturierung, die eine optische Tiefe, dadurch auch eine Mattierung und Streuung des Tageslichts erzeugt.
Ein für den gefärbten Edelstahl willkommener Effekt. Dadurch wird die direkte Blendwirkung reduziert, eine gewisse Planheit durch die Strukturwirkung erzeugt und es werden noch mehr Farbreflexe durch die Lichtwinkel erzeugt. Zusätzlich erhalten die Bleche eine Färbung, die in einem chemischen Tauchbadverfahren hergestellt wird.
Die Färbung entsteht durch das sogenannte Interferenz-Phänomen, einem Effekt, der ohne die Zugabe von Beschichtungsstoffen in der Oberfläche vom Edelstahl erfolgt. Durch die chemische Passivierung der äußeren Chromoxydschicht entsteht eine Verdickung und somit eine Lichtwellen-Überlagerung, die eine optische Farbwirkung ohne das Aufbringen einer zusätzlichen Beschichtung hervorruft. Rimex benennt das Verfahren ColourTex- und allgemein wird es auch als Inco-Verfahren bezeichnet.
Fassadenausführung
Die geneigte Fassadenkonstruktion wurde vor dem Baukörper hinterlüftet ausgeführt. Basis der Fassade ist eine verzinkte Stahlunterkonstruktion, die am Baukörper befestigt als schlankes Tragwerk die Neigung herstellt und zur Befestigung einer Trapezblechbekleidung dient. Die optimale Basis für eine Edelstahlraute, denn die Fläche bietet im Vergleich zu linearen Unterkonstruktionen aus Aluminium-Strangpressprofilen den optimalen Halt für die 0,6mm dicken Schindelbleche und ermöglicht ein flexibles Setzen der Haften und Schindelbefestigungen. Zusätzlich erfüllt die Konstruktion die Brandschutzanforderungen, da keine brennbaren Materialien eingesetzt sind.
Das fränkische Traditionsunternehmen Lummel GmbH & Co. KG konnte den Zuschlag für die Ausführung im Ausschreibeverfahren gewinnen. 1938 erstmals als Spenglerei gegründet, steht der Name heute für umfassende Erfahrung in der Realisierung selbst ungewöhnlichster Gestaltungsprojekte von Bauherren und Architekten. Die Gebrüder Georg und Stefan Lummel führen das Unternehmen in dritter Generation und zeigen mit spektakulären Projekten, auch auf internationaler Bühne, wozu Klempnerbetriebe in Deutschland im modernen Fassadenbau fähig sind.
Es ist immer wieder eine Herausforderung, die Details des Wettbewerbsentwurfs technisch umzusetzen und den Voraussetzungen in der Materialverarbeitung und ebenso dem Budget anzupassen. So zeichnet sich das Gebäude durch seine annähernd ovale Form aus, die statt scharfer Kanten gerundete Ecken aufweist. Die Schindeln der Edelstahlfassade schmiegen sich im Entwurf wie eine Fischhaut um das Gebäude, was auch im Hinblick auf den Aufwand der aufwendigen Materialverarbeitung und Verschnittplanung besondere Beachtung verdient.
Für Stefan Lummel, den Projektverantwortlichen, war klar, dass die detaillierte Planung der Fassadenverkleidung auf einer positionierten CAD-Planung zu erfolgen hatte. Jede Raute hat ihre eigene Position, die gerundeten Ecken müssen passen und da das Gebäude eigentlich im Grundriss als ovaler Ring zu sehen ist, gibt es für die Fassade weder Anfang noch Ende. Die Fassade wurde wie ein Mosaik geplant und ausgeführt. „Ein spannender und erfüllender Moment, als die erste Reihe um das Gebäude geschlossen wurde!“, so Stefan Lummel.
Gerade auch die Ecken zeigen die Tiefe und Konsequenz der technischen Vorplanung und Entwurfsumsetzung. Die Schindeln vergrößern sich nach oben hin und die Linien verlaufen dennoch in der Struktur gerade durch.
„Das Projekt stellt sich in eine Reihe anspruchsvoller Aufträge, die wir im Laufe der Jahre begleiten und realisieren durften“, erklärt Lummel. „In enger Zusammenarbeit mit allen Verantwortlichen, den Architekten, dem Bauherrn und Rimex Metals ist es uns jedoch gelungen, ein Gebäude fertigzustellen, das seinem Entwurf alle Ehre macht.“
Verarbeitet wurden insgesamt 360 Edelstahltafelbleche im Mittelformat 2500 mm x 1250 mm x 0,6 mm zu 2490 Rauten + 645 Sonder-Rauten.
„Wir sind stolz, dieses außergewöhnliche Projekt mit der ersten Materialbemusterung schon seit der frühen Planungsphase begleitet zu haben“, erklärt Bruno Rösch, Geschäftsführer der Rimex Metals Deutschland GmbH. „Die Umsetzung des zu Recht im Wettbewerb erfolgreichen Entwurfs des Architekten Alexander Schlee und die Zusammenarbeit mit einem so erfahrenen Fassadenspezialisten wie der Lummel GmbH & Co. KG waren geprägt von konstruktivem und vertrauensvollem Austausch. Infolgedessen spricht das Ergebnis in unseren Augen absolut für sich.“
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Alle Bilder wurden vor der COVID-19-Pandemie bzw. unter Einhaltung der Abstandsregeln aufgenommen.