Im Porträt: Andrea Jäckel, Geschäftsführerin JES und HJE

Vertrieb ist meine Leidenschaft

Als Mädchen träumte sie von dem Beruf der Pferdewirtin, aber ihr Lebensweg in die Edelstahlbranche war vorgezeichnet. Im Gespräch mit Edelstahl Aktuell betont Andrea Jäckel ihre Faszination für das Schmiedehandwerk und erzählt, wie sie es schafft, trotz 24/7, Momente zu finden, in denen sie das Handy, wenn auch nicht ganz, ausschaltet, doch leise stellt.

EA: Wie sind Sie in die Edelstahlbranche gelangt?

AJ: Ich bin quasi hineingewachsen. Mein Großvater war viele Jahre in der Branche tätig und hat sich 1979 mit der heutigen Jäckel Edelstahl Metalltechnik GmbH (JES) selbstständig gemacht – im selben Jahr wurde ich geboren. Mein Vater war von Anfang an mit im Unternehmen und meine Mutter hat etwas später auch dort gearbeitet, so dass die Firma schon immer eine große Rolle bei uns gespielt hat. Mein Großvater hat mich seit ich denken kann darauf vorbereitet, in seine Fußstapfen zu treten – auch, wenn ich zwischenzeitlich davon träumte, als Pferdewirtin zu arbeiten. (Lacht.)

Ich bin nach dem Abitur mit 19 Jahren in die Firma eingetreten und habe ein duales Studium absolviert. Im Jahr 2004 habe ich gemeinsam mit meinem Vater die Geschäftsführung übernommen und seit 2014 bin ich alleinige Geschäftsführerin. Bereut habe ich es noch keinen Tag. Mein Steckenpferd ist der Vertrieb. Ich liebe den Vertrieb. Die Kommunikation mit Kunden und Lieferanten, das ganze Umfeld – das ist meine Leidenschaft.

EA: Was macht für Sie die Faszination von Edelstahl aus?

AJ: Die verschiedenen Facetten macht es für mich faszinierend. Viele verschiedene Werkstoffe in den unterschiedlichsten Formen für die verschiedensten Einsatzgebiete, die man tagtäglich sieht und verwendet. Seitdem ich das erste Mal in der Schmiede war, bin ich fasziniert von den Kräften, die dort wirken, von der Hitze des Ofens, von den Farben des Metalls und von dem Verhalten des Stahls unter dem Hammer, wenn er wie Teig umgeformt wird.

EA: Im Jahr 2018 haben Sie die Hammerschmiede Jäckel Essen GmbH, vormals van Triel, gegründet. Was hat Sie dazu bewegt?

AJ: JES war schon lange Kunde bei der Firma van Triel in Essen. Seit meinem ersten Besuch hat mich die Faszination für das Schmieden nie mehr losgelassen. Vor der Übernahme durchlebten das Unternehmen und seine Mitarbeiter wechselvolle Jahre, in denen mein Kontakt zu der Schmiede aber nie abriss. Als sich die Gelegenheit bot, habe ich trotz zahlreicher Unkenrufe den Schritt gewagt und die Hammerschmiede Jäckel Essen (HJE) gegründet.

EA: Was ist heute Ihre Aufgabe?

AJ: Ich bin geschäftsführende Gesellschafterin von JES und HJE – zwei Firmen mit ganz verschiedenen Faszinationen, die die Arbeit dort mitbringt. Ich sehe meine Aufgabe darin, meine Vision der jeweiligen Firma an die Mitarbeiter zu vermitteln und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sie ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen und umsetzen können.

EA: Wo sehen Sie die größte Herausforderung in Ihrem Bereich?

AJ: Ganz klar die Nachwuchssorgen: Mitarbeiter zu finden, die sich mit der Firma identifizieren können und wollen und Spaß dabei haben, ist eine Riesenherausforderung. Gerade in der Schmiede, da heute kaum noch jemand diesen Knochenjob machen möchte. Dabei benötigen wir dringend Menschen, die ihre Leidenschaft im Beruf des Schmieds finden und sich dafür begeistern.

Dazu kommen aktuell natürlich die wirtschaftlichen Herausforderungen wie Energiepreise und Materialverfügbarkeit. Auch das Thema Nachhaltigkeit, dem wir uns bereits stellen, wird in Zukunft eine tragende Rolle spielen.

EA: Welche Ziele wollen Sie beruflich noch erreichen?

AJ: Ich möchte, dass JES eigenständig bleibt – dass wir uns unsere Flexibilität, unsere kurzen Wege und unsere eigenen Entscheidungen erhalten können. Ich möchte das Umfeld erhalten, dass sich unsere Mitarbeiter einbringen, Ideen verwirklichen und umsetzen können.

Für die Hammerschmiede habe ich mir zum Ziel gesetzt, dass sie sich auf dem Markt als starker zuverlässiger Partner für Schmiede Sonderteile und natürlich Flansche etabliert. Dass man als erstes an uns denkt, wenn man einen Rohling oder ein fertig gedrehtes Endprodukt benötigt.

Und für unsere Mitarbeiter möchte ich ein sicheres, angenehmes und zukunftsorientiertes Arbeitsumfeld schaffen.

EA: Worauf sind Sie stolz?

AJ: Ich bin stolz, dass wir mit JES als inhabergeführtes Unternehmen ein etablierter, zuverlässiger und flexibler Lieferant sind.

Ich bin stolz, entgegen vieler Meinungen, 2018 die Hammerschmiede übernommen zu haben. Ich bin sehr stolz, dass wir es geschafft haben, Prozesse so zu verändern, dass wir uns zu einem flexiblen Hersteller entwickelt haben, dessen Wort wieder eine Bedeutung hat. Ich bin stolz, dass wir viele Mitarbeiter haben, die ihre Arbeit lieben, die für die Schmiede brennen und trotz vieler Tiefschläge immer daran geglaubt haben, dass wir es schaffen. Dieses Vertrauen ist für mich eine besondere Auszeichnung: Sie haben an mich als Chefin geglaubt und an das Unternehmen.

Für mich selbst bin ich stolz, dass ich vieles von dem, was mein Großvater mich gelehrt hat, umsetzen konnte.

EA: Wobei können Sie am besten abschalten und entspannen?

AJ: Während Corona habe ich Hochbeete für mich entdeckt und kann wunderbar abschalten, wenn ich Obst und Gemüse anpflanze. Ich beschäftige mich sehr gerne mit unseren Hunden, gehe mit ihnen spazieren oder trainiere mit ihnen. Auspowern kann ich mich am besten mit meinem Mann im Fitnessstudio.

Offen gesagt, bin ich mit meinem Handy verheiratet und 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche erreichbar. Aber für die mir wichtige Zeit mit meiner Familie schaffe ich es tatsächlich, dass Handy auch mal leise zu stellen.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.