Im Spotlight: ECONOXX

Fotos: ECONOXX

Im Spotlight: ECONOXX

Die Onlinehandelsplattform ECONOXX für Edelstahlreststücke und -überschüsse entwickelt sich zunehmend zu einem zentralen Teil einer Kreislaufwirtschaft. Wie die Nutzer von ECONOXX auch aus Schrott noch Gewinne erzielen können und warum das gewissenhafte Sortieren von Schrott so wichtig für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist, erläutert André Hempel, Geschäftsführer der Hempel Special Metals Group im Gespräch mit Edelstahl Aktuell. Dabei nimmt er die Leser mit auf einen Abstecher in die Schweizer Uhrenindustrie.

ECONOXX.com

Rund zehn Jahre sind vergangenen seit André Hempel und sein Team die Metallhandelsplattform ECONOXX ersonnen haben. Als Startup gegründet, um neue Wege abseits ausgetretener Pfade gehen zu können, ist das Unternehmen mittlerweile Teil der Hempel Special Metals Gruppe. Die Synergien sprachen dafür, wie André Hempel erläutert: Die Plattform ist international aufgestellt, genau wie Hempel Special Metals. Die Abwicklung der Transaktionen von ECONOXX findet über das internationale Backoffice von Hempel Special Metals statt. „ECONOXX passt gut rein“, so André Hempel. „Unseren Kunden bieten wir damit eine weitere Dienstleistung.“ Wobei die Plattform allen Interessierten offen steht, nicht nur den eigenen Kunden.

Seit dem Onlinestart im Jahr 2016 hat sich ECONOXX kontinuierlich weiterentwickelt, getragen von der Ursprungsidee, Reste im Rahmen einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft weiterzuverwenden. Wertvolle Überschüsse, Restmaterialien und Artikel zweiter Wahl aus dem Bereich Edelstahl, Nickel- und Titanlegierungen können auf ECONOXX angeboten und gekauft werden. Ein Novum, denn einen Markt für Reststücke gab es bis zum Start von ECONOXX nicht. Dabei sind Reste kein Schrott, betont André Hempel. Ganz im Gegenteil, sie sind zu wertvoll für den Schrott. Vielen Unternehmen war das lange Zeit nicht bewusst oder aber sie scheuten den Aufwand, so dass Reststücke unsortiert im Schrott landeten. Mittlerweile sei ein Wandel festzustellen, denn es haben sich fast 1.500 Nutzer registriert und gut 10 Prozent sind regelmäßig auf der Plattform aktiv.

ECONOXX.com
Die ursprüngliche Idee hinter ECONOXX war der Handel mit Edelstahlreststücken und -überschüssen.

So funktioniert es

Hempel Special Metals bietet die Plattform und das Knowhow seines professionellen Netzwerks, um Verkäufer und Käufer zusammenzubringen. Verkäufer und Käufer müssen sich zunächst kostenfrei registrieren und ein Benutzerkonto einrichten. Verkäufer stellen ihre Angebote ein und setzen den Preis, ohne Einflussnahme von Hempel Special Metals. Anbieten und Bieten erfolgen anonym. Das Inserieren der Ware ist kostenfrei. Erst bei Verkauf fällt eine Kommission für ECONOXX an. Durch die Verbindung mit Hempel Special Metals kann ECONOXX dem Käufer zusätzliche Dienstleistungen wie das Schneiden und den Transport der Ware anbieten.

Sollte kein Käufer gefunden werden – auch der Angebotszeitraum wird individuell vom jeweiligen Anbieter festgelegt – garantiert Hempel Special Metals die Abnahme als Schrott. Der aktuelle Schrottpreis wird transparent auf ECONOXX.com kommuniziert. Aufmerksame Leser merken jetzt an, also doch Schrott? Ja: aber nun ist es sortierter Schrott, bei dem sichergestellt wird, dass er im richtigen Stahlwerk recycelt wird. Und auch wenn kein Erlös für das Angebot erzielt werden konnte, gibt es einen Mehrwert: Sortierter Schrott ist mehr wert als Mischschrott, Stückschrott ist mehr wert als Späne u.a. Eine ökologische und ökonomische Win-Win-Situation.

Die digitalen Schrottboxen

Auch wenn das Geschäftsmodell von ECONOXX der Metallhandel mit Halbzeugen ist, wird die Plattform seit einiger Zeit verstärkt für die Abwicklung von Edelstahl-, Nickel- und Titanschrott eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Dienstleistung, die Hempel Special Metals seinen Kunden in Zusammenarbeit mit Recyclingunternehmen anbietet. Angetrieben durch den ökologisch und ökonomisch beeinflussten Nachhaltigkeitsgedanken, animiert Hempel seine Kunden, verantwortungsvolle Geschäftsprozesse umzusetzen. Es ist nicht selten, dass Abfallstoffe wie Holz, Kunststoff, C-Stahl, Aluminium und Edelstahl in einem Container gesammelt werden. Die Sortierung erfolgt nach Abholung durch das Recyclingunternehmen. Was für eine Verschwendung dachte sich André Hempel, „Metallischer Abfall ist ein Rohstoff.“ ECONOXX.com nimmt seit Anfang 2022 Material, das keinen Käufer findet, mindestens zum Schrottwert zurück und versucht sicherzustellen, dass die Schrotte im richtigen Schmelzwerk recycelt werden.

Der QR-Code der Schrottbox wird gescannt, um den Status für ECONOXX zu erfassen.
Anlieferung der leerenECONOXX Schrottboxen beim Kunden.
Abholung der vollen ECONOXX Schrottboxen beim Kunden.

Neu hinzugekommen sind die Schrottboxen, die Kunden kostenfrei bei sich aufstellen können, um bspw. gezielt Edelstahlschrott zu sammeln. André Hempel betont, dass er weder in Konkurrenz zu Recyclingunternehmen treten noch als Schrotthändler aktiv werden möchte. „Wir möchten helfen, ein nachhaltiges Handeln zu etablieren.“ Ihm ist es ein Anliegen, die Kunden zu animieren, eine Schrottsortierung vor Ort vorzunehmen. „Schrott ist wertvoll, es lohnt sich zu separieren, denn bei der Verwertung sortierter Schrotte können höhere Preise erzielt werden, vor allem wenn Mengen gebündelt werden können“, erläutert Hempel. Der sortierte Schrott geht an Recyclingunternehmen, an spezialisierte Nischen-Metallhändler oder in einigen Fällen auch direkt ans Schmelzwerk.

Die Schrottboxen, die mit etwa 500 bis 1.000 kg Metallrückständen befüllt werden können, vereinfachen sowohl den Sortierprozess als auch die Logistik. Jede Box ist mit einem QR-Code versehen. Dieser erfasst die einzelnen Schritte in der Logistikkette, verteilt die Aufträge per Mail und stellt sicher, dass stets ein aktueller Status für alle Beteiligten ersichtlich ist. Dabei ist von Vorteil, dass jeder Teil der Kette – Kunde, Recyclingunternehmen, Spediteur, Hempel Special Metals – Zugriff auf die Plattform hat. Hempel Special Metals stellt Kunden, Spediteuren und Recyclingunternehmern hierfür ein nur für diesen Zweck programmiertes iPad mini zur Verfügung. Ein nahtloser, sicherer Datenaustausch ist damit zu jeder Zeit gewährleistet.

Der Kunde sammelt gezielt seinen Edelstahl-, Nickel- oder Titanschrott in der Schrottbox. Ist diese gefüllt, scannt er zwecks Meldung der vollen Box mit seinem iPad mini den QR-Code. Hempel Special Metals sorgt für die Abholung der vollen Box und den Austausch gegen eine leere. Das Recyclingunternehmen wiegt den Schrott und meldet das Gewicht über den gescannten QR-Code. Der Erlös wird in ECONOXX angezeigt und von Hempel Special Metals dem Kunden gutgeschrieben.

Eine Definition von Nachhaltigkeit

Das Verschrotten ist allerdings für André Hempel der letzte Schritt in einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Er plädiert für eine bessere und längere Nutzung von Material, denn „alles was effizient ist, ist nachhaltiger“.

Die „Hempelsche“ Definition von Nachhaltigkeit sagt also aus, dass erstens der Kunde das Material optimal einsetzen sollte, um zuvorderst den Materialverbrauch zu reduzieren bzw. das Aufkommen von Reststücken zu minimieren. Hat er keine Verwendung mehr für die Reste, unterstützt ECONOXX im nächsten Schritt bei der Weiterverwertung von Reststücken und vermittelt diese an einen weiteren Nutzer. Damit sorgt er dafür, dass das Reststück nicht sofort verschrottet wird, sondern einer weiteren Nutzung zugeführt wird. Vorteil für den Käufer: Er umgeht zum Beispiel Mindestbestellmengen und kauft günstiger ein. Vorteil für den Verkäufer: Für Reststücke werden bessere Preise erzielt als für Schrott. Stellt sich ein Posten als unverkäuflich dar, bestimmt der Kunde den Zeitpunkt der Verschrottung. Für maximale Transparenz zeigt ECONOXX.com den aktuellen Schrottpreis an. Ein weiterer Pluspunkt für den Verkäufer: Das Reststück gilt als sortierter Schrott und ist daher mehr wert als Mischschrott.

Eine Definition von Nachhaltigkeit
Die vollen Schrottboxen werden beim Recyclingunternehmen abgeladen.

Die Kreislaufwirtschaft in der Uhrenindustrie

Nachhaltigkeit wird viel diskutiert und kaum eine Branche kann sich dem Thema entziehen. Allerdings gibt es Industrien, die in der öffentlichen Wahrnehmung stärker oder auch kaum wahrgenommen werden. Hand aufs Herz: Denken Sie beim Stichwort Nachhaltigkeit an die Uhrenindustrie? Insbesondere die hochpreisige Schweizer Uhrenindustrie? Es ist eine eher verschwiegene, in sich geschlossene Branche. Sie gehört zu den Industriezweigen, die sich in der Öffentlichkeit bis dato weder als besonders nachhaltig, noch als Klimasünder hervorgetan hat. Aber auch die Uhrenindustrie – speziell im gehobenen Segment – erfährt in der gegenwärtigen Situation einen gewaltigen Schub in Richtung Nachhaltigkeit. Stake Holder erwarten die Vorlage von Ökobilanzen. Die Frage lautet: Wo ansetzen? Eine Antwort: beim Material. Edelstahl gilt bereits heute als besonders nachhaltig, da bei seiner Herstellung bis zu 70 Prozent Schrott eingesetzt werden. Das reicht den Uhrenherstellern nicht. Sie erwarten einen noch höheren Schrottanteil: am besten 80 bis 90 Prozent.

Bei der Herstellung von Uhren im Luxussegment wird jedoch nicht irgendein Edelstahl verwendet, sondern der Werkstoff 1.4435WCQ. Er ist ein nichtrostender, austenitischer Stahl, der sich neben seiner hohen Korrosionsbeständigkeit aufgrund seiner speziellen chemischen Zusammensetzung auch durch seine Hochglanzpolierfähigkeit auszeichnet. Das macht diesen Chrom-Nickel-Stahl interessant für den Einsatz im gehobenen Segment der Uhrenindustrie. Denn der hier verwendete Uhrenstahl muss polierbar sein. Dafür müssen gewisse chemische Elemente, wie beispielsweise Titan und Aluminium, ausgeschlossen werden. Diese Bedingungen erfüllt der Werkstoff 1.4435WCQ, entweder einfach oder doppelt erschmolzen und hat sich im Segment der hochpreisigen Schweizer Uhren durchgesetzt.

Wofür wird der Edelstahl verwendet? Zu einem Großteil für die Uhrenschalen und -bänder, die entweder direkt aus dem Blech geschnitten oder aus zurechtgeschnittenen Blechstreifen gestanzt werden. So oder so, der Schrottanteil ist gewaltig. Der einfach erschmolzene Uhrenstahl stammt aus Japan und wird unter anderem von Hempel Special Metals für die Schweizer Uhrenhersteller bevorratet. Ausgerechnet bei der auf Nachhaltigkeit getrimmten Hempel Special Metals Group. Oder auch, glücklicherweise bei Hempel Special Metals mit dem Fokus auf eine effiziente Nutzung.

Bereits seit mehr als 10 Jahren bietet Hempel Special Metals seinen Uhrenkunden die Schrottrücknahme an. Die Halbzeuge werden wöchentlich angeliefert und der Schrott wird mit gleichem LKW abgeholt; seit kurzem auch mit den „digitalen“ Schrottboxen über die Econoxx.com Plattform. Das hat nun auch sehr große Kunden animiert, mitzumachen und in der Zwischenzeit sind über 150 Boxen im Kreislauf. Aber das genügt André Hempel und seiner Vision einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft nicht. Reiner Schrott eines Materials, das immer und immer wieder benötigt wird, plus eine Uhrenindustrie, die nachhaltiger werden will und sich ambitionierte Ziele setzt, das hat André Hempel beflügelt.

Was treibt ihn an? Nichts weniger als zu beweisen, dass aus Restposten eine Wertschöpfungskette aufgebaut werden kann. Ein neues Projekt war geboren: Die Reststücke des Werkstoffs 1.4435WCQ werden eingeschmolzen für einen Edelstahl derselben Güte, ohne dass Qualitätseinbußen zu verzeichnen wären. Es entsteht mit Nutzung dieses hochwertigen Schrotts ein hochwertiges Recyclingprodukt, das den strikten Anforderungen der Uhrenindustrie entspricht.

Für dieses Projekt kooperiert Hempel Special Metals mit VDM Metals. Hempel liefert das vorsortierte Recyclingmaterial, das eins zu eins einsetzbar ist. VDM Metals stellt das Neumaterial her und erforscht eine schrittweise Erhöhung des Schrottanteils im neuen Edelstahl 1.4435WCQplus, einer umgeschmolzenen Güte. Denn die Vorgabe ist klar: einen Schrotteinsatz von bis zu 90 Prozent mit einer noch besseren Qualität der Legierung zu erreichen.

ECONOXX Zukunftspläne
Seit einiger Zeit wird ECONOXX verstärkt für die Abwicklung von Edelstahl-, Nickel- und Titanschrott eingesetzt.

Zukunftspläne

Während an diesem Projekt fest gearbeitet wird, hat André Hempel bereits eine weitere Nische im Visier: Titanlegierungen, die vielfach Verwendung in der Medizin sowie Luft- und Raumfahrt finden. Sehr speziell, mit vielen individuellen Vorgaben und Zertifizierungen, was allerdings auch ein großes Potenzial für die Resteverwertung und für sauber sortierten Titanschrott birgt. „Ähnlich wie bei der Uhrenindustrie haben wir bereits viele Kunden, und einen speziellen Medizinkunden, bei dem wir die Titanschrotte zurücknehmen. Gleichzeitig benötigen unsere Titanproduzenten diese Titanschrotte und damit würde sich auch hier der Kreislauf wieder schließen“, konstatiert Hempel. Ein Prozess, der noch etwas dauern wird, prognostiziert André Hempel, aber das wird ihn nicht schrecken.

Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.