„In den HR-Abteilungen entscheidet sich der Unternehmenserfolg“

„Initiative Fachkräfte“ unterstützt Unternehmen bei der Suche nach Personal

Der Fachkräftemangel bremst die Industrie aus, gefährdet teilweise den Unternehmenserfolg. Die Suche nach geeignetem Personal entwickelt sich zu einer Hauptaufgabe für Firmen in allen Branchen, so auch in der Edelstahlindustrie. Wie können Unternehmen gegensteuern? Im Interview mit Edelstahl Aktuell erläutert Alois Messing, Gründer der „Initiative Fachkräfte“, wie junge Kandidaten angesprochen werden sollten und was es dabei zu vermeiden gilt.

EA: Derzeit suchen Firmen aus allen Branchen händeringend Mitarbeiter. Was muss ein Unternehmen bieten, um neue Mitarbeiter gewinnen zu können?

AM: Da gibt es einen ganzen Strauß an Möglichkeiten, beispielsweise ansprechende Unternehmens- und Führungskultur, interessante Arbeitszeit- und Entgeltmodelle, eine deutliche Unterscheidung zu mitbewerbenden Unternehmen, attraktive Weiterbildungsmöglichkeiten, sofern möglich Flexibilisierung des Arbeitsortes sowie der Arbeitszeit, gutes Betriebsklima, berufliche Selbstverwirklichung, unterschiedliche betriebliche Benefits und soziales Engagement. Das sind nur einige Beispiele.

EA: Wie muss sich ein Unternehmen heute darstellen, um überhaupt für potenzielle Mitarbeiter interessant zu sein?

AM: Auf der Unternehmenswebseite sollte es Raum für einen modernen Karrierebereich geben. Dazu zählt eine klare und deutliche Übersicht dessen, was gesucht wird (einzelne Navigationspunkte). Das Unternehmen sollte deutlich machen, wie es in der Umgebung verwurzelt ist, beispielsweise durch Engagement für das Vereinsleben im Ort.

EA: Was müssen Stellenangebote beinhalten und wie müssen sie Kandidaten ansprechen?

AM: Die Stellenbeschreibung sollte konkret und authentisch sein sowie Hinweise auf Weiterbildungsmöglichkeiten, Benefits und Arbeitszeitmodelle enthalten. Die Kontaktpersonen sollten mit Foto und Kontaktdaten dargestellt werden.

Hier ist nicht nur wichtig, was Stellenangebote beinhalten sollten, sondern auch was man unbedingt vermeiden bzw. weglassen sollte. Dazu zählen Floskeln wie der Hinweis auf freie Parkplätze (im ländlichen Raum), gutes Betriebsklima (ohne konkrete Beschreibung – warum ist es so?), sicherer Arbeitsplatz (Warum? Historie? Storytelling?), um nur einige Beispiele zu nennen.

EA: Welche Leistungen wie Altersvorsorge, vermögenswirksame Leistungen, Firmenwagen, Laptop u.ä. müssen Unternehmen Mitarbeitern bieten?

AM: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da hier unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen sind. Für welche Branche, Region und Position wird gesucht? Wie sieht das mitbewerbende Unternehmensumfeld aus und wo liegen deren Stärken und Schwächen im Rahmen der Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung? Wie und wodurch kann für das betroffene Unternehmen ein Vorteil/USP erzeugt werden? Was wurde in der Vergangenheit (häufig im Rahmen der internen und externen Kommunikation) vom suchenden Unternehmen gut, weniger gut oder schlecht praktiziert? Wie hoch ist die aktuelle Zahl nicht besetzter Arbeitsplätze und der daraus entstandene Unternehmens- und Gewinnverlust? Welches Investment zur Implementierung unterschiedlichster Benefits/Vorzüge könnte ohne zusätzlichen Aufwand im Verhältnis zum Unternehmensverlust getätigt werden, wenn nur ein Teil der offenen Positionen dadurch besetzt würden? Von der Beantwortung dieser und anderer Fragen hängt die Auswahl der Benefits ab, die ins Spiel gebracht werden müssten.

EA: Worauf legt vor allem die junge Generation den größten Wert?

AM: Wert(e) ist hier der richtige und häufig nicht erkannte Aspekt bei jungen Menschen, besonders im Mittelstand. Die Generation Z legt zum Beispiel großen Wert auf Vernetzung, Teamwork und Optimismus. Typische Merkmale sind das Leben im Hier und Jetzt, das Vertrauen in Technologie und die permanente Anwesenheit in der digitalen Welt. Das bedeutet für das Arbeitsleben, dass sie auch Spaß an der Arbeit haben wollen. Das zahlen sie mit einer hohen Lernbereitschaft und Arbeitswilligkeit zurück. Gleichzeitig ist die Forderung nach einem erfüllten Privatleben stark ausgeprägt. Selbstverwirklichung wird nicht mehr in der Arbeit gesucht, sondern vor allem in der Freizeit und in sozialen Kontakten. Die Arbeitsweise sollte deshalb flexibel und anpassungsfähig, selbstständig und unabhängig sein. Führungspositionen sind ihnen nicht mehr so wichtig, eher Fachlaufbahnen und projektbezogenes Arbeiten.

EA: Wie steht es um die Flexibilität der Arbeitszeit?

AM: Je jünger die Kandidaten sind, desto ausgeprägter ist der Wunsch nach Flexibilität.

EA: Wie kann die Initiative Fachkräfte Unternehmen und Verbände konkret unterstützen?

AM: Die INIFA-Initiative Fachkräfte setzt auf praktische und begleitende Unterstützung, da in mittelständischen Unternehmen häufig die erforderlichen Ressourcen dafür fehlen. Wir bieten die ganze Bandbreite von Beratung über Coaching, Schulung, Workshops, Projektmanagement und Impulsvorträge bis hin zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen.

EA: Seit wann gibt es die Initiative und was war das Motiv für die Gründung?

AM: Der Gründungsgedanke sowie die thematische Ausrichtung wurde innerhalb der Düsseldorfer Runde e.V. im Jahr 2013-2014 erstmalig besprochen und verfolgt. Bereits zu dieser Zeit haben sich Firmen mit Fachkräftebedarf an die Düsseldorfer Runde e.V. gewandt und nach zielführenden Lösungen gesucht. Die seinerzeitige Ausrichtung der DR war für diese Thematik nicht geeignet. Deshalb wurde die INIFA mit speziellen Fachkompetenzen ausgestattet, und zur Unterstützung wurde wissenschaftliche Begleitung zur Gründung hinzugezogen.

EA: Wer gehört der Initiative an?

AM: Eine Reihe von Fachberater/innen mit unterschiedlichen Kompetenzen.

EA: Wie wird sich die Situation rund um Arbeitskräfte in den kommenden Jahren entwickeln?

AM: Die demografische Entwicklung gibt seit Jahren auch die Tendenz des Fachkräftemangels vor. Es ist seit langem klar, dass der Generationenvertrag oder auch das sogenannte Umlageverfahren – sprich die gesetzliche Rente – aufgrund der Entwicklung langfristig keine Sicherheit mehr darstellt. Somit wird auch der Fachkräftebedarf in Deutschland und Teilen Europas in den nächsten 20 Jahren enorm zunehmen. In den HR-Bereichen wird über den zukünftigen und generellen Unternehmenserfolg entschieden. Diejenigen, die ihre Hausaufgaben im Sinne der zukünftigen Fachkräfte machen, werden zu den Gewinnern gehören.

+++ Erstveröffentlichung in Edelstahl Aktuell Ausgabe 10– Dezember 2022. Um zukünftig solche und weitere Inhalte zeitnah und regelmäßig zu lesen, abonnieren Sie Edelstahl Aktuell kostenfrei. +++

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.