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Seit tausenden von Jahren nutzen die Menschen den Wind. Er ermöglichte ihnen, schneller und weiter zu fahren, auf Expeditionen aufzubrechen, neue Kontinente und Handelswege zu entdecken. So wie der Wind uns Menschen einst half, den Planeten zu entdecken, so kann er uns heute dank zukunftsweisender und neuer Technologien helfen, den Planeten zu erhalten.
Dazu beitragen soll das für den Windantrieb konzipierte Segellastschiff Oceanbird. Entwickelt wurde es in Schweden von Wallenius Marine in Zusammenarbeit mit dem KTH Royal Institute of Technology und SSPA, einem Beratungsunternehmen für maritime Lösungen
AlfaWall Oceanbird
Wie im Juni bekanntgegeben wurde, werden die beiden schwedischen Unternehmen Wallenius und Alfa Laval künftig ihre Kräfte bündeln und dem Konzept Oceanbird damit kräftig Anschub geben. Sie wollen mit AlfaWall Oceanbird ein neues 50/50-Joint Venture gründen und sich vor allem auf die segeltechnischen Aspekte des Schiffes konzentrieren, wie zum Beispiel das Schiffssteuerungssystem, das den Betrieb des Flügelsegels steuern wird.
„Wind spielt eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung der Schiffsindustrie”, sagt Peter Nielsen, Business Unit President, Alfa Laval Marine Division. „Gemeinsam mit Wallenius werden wir diese reichlich vorhandene Naturkraft nutzen, um sowohl den Anforderungen des Klimas als auch denen der maritimen Wirtschaft gerecht zu werden.“
Das 200 Meter lange und 40 Meter breite Frachtschiff soll in der Lage sein, den Atlantik in 12 Tagen zu überqueren. Im Bauch bis zu 7.000 Autos. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 Knoten, was 18,52 Stundenkilometern entspricht. Durch die 80 Meter hohen Flügelsegel wird dem Schiff eine Höhe über der Wasserlinie von ca. 105 Metern verliehen. Dank einer Teleskopkonstruktion können die Flügel auf 20 Meter abgesenkt werden, was zu einer Schiffshöhe über der Wasserlinie von ca. 45 Metern führt.
In Kontrolle bleiben über die Kraft des Windes
Imposant sind sie, die fünf 80 Meter hohen Flügelsegel der Oceanwind. Sie sind doppelt so hoch wie die Masten der größten konventionellen Segelschiffe, die derzeit auf den Meeren kreuzen. Aber trifft die Bezeichnung Flügelsegel noch zu? Bei Oceanwind hat das Rigg mehr mit Flugzeugflügeln als mit traditionellen Segeln gemein. Starre Flügelsegel sollen eine Vorwärtsbewegung anstelle von vertikalem Auftrieb erzeugen. Die Konstrukteure nutzen sowohl aerodynamisches Wissen als auch schiffbauliches Know-how, um die Kraft des Windes effizient zu nutzen. Das Rigg ist aus Stahl und Verbundwerkstoffen gefertigt. Um den Wind optimal einzufangen, ist es in der Lage, sich um 360 Grad zu drehen. Die Teleskopfunktion ist praktisch bei Brückendurchfahrten oder bei zu starkem Wind, wenn die Flügelfläche reduziert werden muss, um die Geschwindigkeit zu verringern. Sie punktet auch bei rauen Wetterbedingungen und für Wartungsarbeiten.
Für die Ein- und Ausfahrt in Häfen, sowie als Sicherheitsmaßnahme, werde das Schiff mit einem Hilfsmotor ausgestattet. Dieser solle mit sauberer Energie angetrieben werden. Auch wenn das erste Schiff ein Frachtschiff sein wird, so lasse sich das Konzept auf Schiffe aller Art anwenden, zum Beispiel auf Kreuzfahrtschiffe.
Die Takelage und der Rumpf werden als eine Einheit agieren, um den Wind auf die effizienteste Weise zu nutzen. Obwohl das Material dasselbe ist, muss der Stahlrumpf eines windgetriebenen Schiffes ganz anders konstruiert werden als der eines motorgetriebenen.
Nachhaltigkeit
Schon heute ist die Schifffahrt, die ca. 90 Prozent der Weltfracht abwickelt, eine energieeffiziente Art, Güter zu transportieren. Trotzdem muss sie nachhaltiger werden. Die Schifffahrtsindustrie ist für etwa 2 – 3 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Ziele der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO sehen vor, im Vergleich zu 2008, die Treibhausgase bis 2050 um mindestens 50 Prozent zu reduzieren. Die CO2-Emissionen der internationalen Schifffahrt sollen bis 2030 um 40 Prozent gesenkt werden.
Oceanbird ermögliche der Schifffahrt einen großen Schritt zur Emissionsfreiheit und setze damit gleichzeitig neue Standards. Emissionen auf den größten Hochseeschiffen könnten mit einer Lösung wie Oceanwind um 90 Prozent reduziert werden im Vergleich zu Frachtschiffen mit Dieselmotoren.
Zudem verringere Oceanbird die Luft- und Geräuschverschmutzung, denn die meisten Schiffsgeräusche werden nicht, wie gemeinhin verstanden, durch Generatoren oder Motoren verursacht, sondern durch die Kavitation der Propeller.
Das an der Entwicklung von Oceanbird beteiligte KTH Royal Institute of Technology in Stockholm schrieb 2020 auf seiner Website: „Obwohl das Projekt große technische Herausforderungen mit sich bringt, besteht die größte Herausforderung vielleicht darin, die Akzeptanz potenzieller Kunden, Reedereien und Frachtkäufer zu gewinnen.“ Mit dem nun bekanntgegebenen Joint Venture AlfaWall Oceanbird bekommt die Akzeptanz mächtig Aufwind.
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