Schwenkbiegen: Mit Oberflächenqualität und Präzision punkten

Foto: Schröder Group

Ein Beitrag von Markus Planckh, PR-Redakteur, HighTech communications GmbH.

Abkantpressen sind für viele der Inbegriff des industriellen Biegens. Schwenkbiegen wird häufig noch als reine Dünnblechumformungstechnik verstanden. Doch das industrielle Schwenkbiegen hat sich auch bei stärkeren Blechen bewährt und ist gerade bei Edelstahlblechen häufig die bessere Wahl.

Das industrielle Schwenkbiegen von Edelstahlblechen: Mit Oberflächenqualität und Präzision punkten
Legendäres Edelstahldesign: 5700 Quadratmeter hochglanzpolierte Deckenbleche in der U-Bahnstation Münchner Freiheit, von der Valenta Metall GmbH auf einer Schwenkbiegemaschine von Schröder produziert. | Foto: LepoRello, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Schwenkbiegen hat gegenüber dem Gesenkbiegen einen ganz entscheidenden Vorteil: Es bleiben keine Abdrücke zurück. Ober- und Unterwange fixieren das Blech und die Biegewange bewegt sich um ihren Drehpunkt. Dabei rollt sich das Blech gewissermaßen an ihr ab – praktisch ohne Relativbewegung zwischen Werkzeug und Oberfläche. Es entstehen keine Kratzspuren, auf Kantfolien kann verzichtet werden. Dass die Oberfläche der Werkstücke beim Biegen unbeschädigt bleibt, ist für all jene Fertiger von unschätzbarem Wert, bei denen die Edelstahloberfläche auch die Oberfläche des fertigen Produkts ist. Zu den Anwendern, die Bleche auf diese Weise abkanten, gehören deshalb zum Beispiel Hersteller von Großküchen, Aufzugtüren, Schaltschränken oder Fassadenelementen.

Kraft und Genauigkeit

Einer der weltweit führenden Anbieter im Bereich der Hochleistungsschwenkbiegemaschinen ist die Schröder Group.

Das Portfolio reicht von Klempnermaschinen bis zu High-End-Schwenkbiegemaschinen wie der MAK 4 Evolution UD, SPB Evolution UD oder dem hochgradig automatisierten EVO Center. Neben der oberflächenschonenden Behandlung gibt es weitere Gründe, warum sich diese Technik durchsetzt. Bei der Scheuch Gruppe, Marktführer bei der Abgas- und Rauchgasreinigung, hat beispielsweise eine MAK 4 Evolution UD mit 4000mm Arbeitslänge drei Abkantpressen ersetzt. Auswahlkriterien: Einzig diese Maschine ist in der Lage, 4 und 5mm starke Stahlbleche auf 4000mm Breite äußerst präzise im Bereich von Zehntelmillimetern zu biegen. Über alle Achsen erreichen die Maschinen der Evolution-Reihe eine Positioniergenauigkeit von 0,01 mm beziehungsweise 0,01°. Ein weiterer entscheidender Faktor für die technische Erneuerung war, dass neue Scheuch-Filterkonstruktionen auch Bauteile mit Z-Kantungen beinhalteten. Aus diesem Grund stellte die bidirektionale Biegewange der Maschine (UD = Up and Down) eine dringend benötigte Option dar. Diese Funktion ermöglicht es einem einzelnen Mitarbeiter, Teile zu fertigen, die zuvor von mehreren Personen gewendet werden mussten.

Steuerung

Damit die mechanische Präzision im Fertigungsprozess auch genutzt werden kann, braucht es eine entsprechend leistungsfähige Steuerungssoftware. Die Schröder Group ist einer der wenigen Anbieter, die ihre Steuerungssoftware im eigenen Haus programmiert und optimiert. Speziell für die Hochleistungsmaschinen der Evolution-Serie hat man die Software POS 3000 entwickelt. Das grafische 3D-Steuerungsprogramm kann Konstruktionsdaten im Datenstandard dxf (Drawing Interchange File Format), STEP und vielen mehr importieren. Auf Basis dieser Daten wird dann am PC in der Arbeitsvorbereitung oder am Touch-Display direkt an der Maschine das Biegeprogramm erstellt. Die Erstellung der Biegeprogramme erfolgt über 3D-Grafiken und individuelle Bedienelemente. Zur Sicherheit kann der Ablauf des Biegeprogramms vor dem ersten Einsatz über die Software simuliert werden.

Die POS 3000 birgt einen ganz besonderen Vorteil für Verarbeiter von Edelstahlblechen: In der Software sind Materialdatenbanken gespeichert mit allen wichtigen Informationen zum Biegeverwalten dieser Materialien, wie der Biegeverkürzung oder Rückfederung.

Beispielsweise ist für Edelstahl 1.4301 bei einer Biegebreite von 3000mm eine Rückfederung von 5° hinterlegt. Dies bedeutet, dass man, wenn das Werkstück eine 90-Grad-Kantung aufweisen soll, das Blech 95° weit biegen muss. Beim gleichen Material, jedoch in nur 1000mm, liegt die Rückfederung bei 3°. In diesem Fall muss die Biegewange auf 93° fahren, um letztlich den 90° Winkel zu erreichen. Diese Winkelanpassungen werden von der Software automatisch durchgeführt, sodass man vom ersten Blech an genau die Winkel bekommt, die das Werkstück haben soll.

Geeignete Maschine wählen

Schröder-Schwenkbiegemaschinen sind für verschiedene Nutzlängen und Blechstärken verfügbar. Bei der Auswahl von Maschinen für die Edelstahlbearbeitung ist zu beachten, dass die entsprechenden Angaben standardmäßig für eine Zugfestigkeit von 400 N/mm² gelten. Bei den Angaben für die maximale Blechdicke ist für Edelstahl etwa ein Drittel abzuziehen. Die MAK 4 Evolution für 6 mm dicke Standardbleche beispielsweise kantet somit 4 mm starkes Edelstahlblech auf einer Länge von bis zu 3200 mm sauber und zuverlässig. Sollte das nicht reichen: EVO Heavy Duty. Die stärkste Schwenkbiegemaschine der Welt kantet Edelstahlblech mit einer Stärke von bis zu 10 mm auf einer Nutzlänge von 3240 mm im Schwenkbiegeverfahren ab. Über eine Vielzahl von Optionen lassen sich die Maschinen auf fertigungsspezifische Anforderungen anpassen. Dass hier als Überschrift das industrielle Schwenkbiegen gewählt wurde, heißt nicht, dass nicht auch handwerklich geprägte Unternehmen großen Nutzen aus einer NC-gesteuerten motorischen „Abkantbank“ ziehen können. Edelstahlbleche sind ein vergleichsweise teurer Werkstoff. Wer sie verarbeitet, will Ausschuss um jeden Preis vermeiden. Die hohe Genauigkeit, die man mit motorischen Schwenkbiegemaschinen erreichen kann, erspart die Nachbearbeitung – einen auf einer Schröder-Maschine gekanteten Edelstahlbehälter kann man so, wie er aus der Maschine kommt, laserschweißen.

Auch im Handwerk beliebt

Eine sehr beliebte Schwenkbiegemaschine im Übergangsbereich zwischen Handwerk und Industrie ist die PowerBend Professional. Der Geschäftsbereich Aufzugdesign der Wölfel GmbH in Lauf-Neunhof an der Pegnitz konnte nach der Anschaffung dieser Maschine seit 2016 massiv ausgebaut werden. Auch bei diesem Anwender erlaubt eine Up-and-Down-Biegewange, an großen Blechen Gegenkantungen durchzuführen, ohne dass der Bediener das Blech wenden muss. Anstelle eines Werkzeugwechselroboters bietet diese Maschine die Option einer drehbaren Oberwange. Diese stellt über eine einfache Drehung einen zweiten Werkzeugsatz und eine veränderte Geometrie zur Verfügung – das spart gerade bei kleinen Losgrößen Rüstzeiten. Die dritte Ausstattungsoption, die dieser Anwender nutzt, ist eine zunächst unspektakuläre, aber für Werkstätten doch äußerst wichtige Besonderheit bei Schröder-Schwenkbiegemaschinen: Mit beweglicher Steuerungskonsole, den nötigen Sicherheitsmechanismen und einem zweiten Fußschalter kann die Maschine auch von vorne bedient werden. Sich wie bei einer Handabkantbank vor die Maschine zu stellen, erscheint bei motorischen Schwenkbiegemaschinen zunächst ungewöhnlich, aber gerade bei einem Anwender wie Wölfel ist das sogar die üblichere Arbeitsweise.

Zur Herstellung individueller Umfassungszargen und Schachtschließungen für Aufzugbau nutzt die Wölfel GmbH eine Schröder PowerBend Professional. | Foto: Wölfel

Der Grund: Die Bleche für schmale Profile, wie sie beim Aufzugkabinenausbau extrem häufig sind, lassen von vorne wesentlich komfortabler anschlagen. Das spezialisierte Unternehmen verarbeitet nicht nur Baustahl, Aluminium und Edelstahl, sondern auch Messing und sogar spiegelpolierten Edelstahl mit der Schwenkbiegemaschine.

Fazit

Schwenkbiegemaschinen sind schon wegen ihrer oberflächenschonenden Funktionsweise besonders gut für die Umformung von Edelstahlblechen geeignet. Wenn bei der Auslegung und Steuerung der Maschine die hohen Zugfestigkeiten und das Rückfederverhalten der Werkstoffe beachtet werden, können auf diesen Maschinen Produkte mit höchster Präzision und Maßhaltigkeit gefertigt werden. Innovative Ausstattungsoptionen wie bidirektionale Biegewangen oder Werkzeugwechsler erleichtern die Handhabung und steigern die Effizienz sowohl in Serienfertigung wie auch im Bereich der Einzelstücke und Kleinlose.

Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

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Sonja Wingels
Sonja ist Redakteurin bei der Edelstahl Aktuell. Nach ihrem Studium der Psychologie an der HHU in Düsseldorf und selbstständiger Arbeit als Content Creator nutzt sie nun diese Erfahrungen, um zum Erfolg der Zeitung beizutragen und ihr Fachwissen in der Edelstahlbranche zu vertiefen.