Superduplex für den Thermalwasserkreislauf

Foto & Grafik: Deutsche ErdWärme
Rendering:
SCG Architekten

Erdwärme, die aktuell weltweit an Bedeutung gewinnt, kann regional auch in Deutschland einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten. Je nach Temperaturniveau im Untergrund können Erdwärmeanlagen klimafreundliche Wärme und Strom bereitstellen und dadurch fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas ersetzen.

Das lohnt sich laut der Deutschen ErdWärme, denn bei einer Kraftwerksleistung von 40 MWth  und 8.000 Volllaststunden könnten so in der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung bis zu 50.000 Tonnen CO₂ pro Jahr vermieden werden. Im Gespräch mit Edelstahl Aktuell erläutern Alexander Kuch, Verfahrenstechniker bei der Deutschen ErdWärme, und Ron Zippelius, Leiter Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen ErdWärme, was tiefe Erdwärme bedeutet, wie Strom und Wärme gewonnen werden und warum Superduplex im Thermalwasserkreislauf der Anlage das Material der ersten Wahl sein wird.

Tiefe Erdwärme

Im Gegensatz zur oberflächennahen Geothermie (bis 400 Meter), wie sie bei einzelnen Gebäuden (auch Einfamilienhäusern) zur Anwendung kommt, werden bei der tiefen Erdwärme Thermalwasserreservoire in Tiefen von mehr als 2.000 Meter erschlossen (hydrothermale Geothermie).

Tiefe Erdwärme

Die oberflächennahe Geothermie nutzt Erdwärmesonden. Das sind Rohrsysteme, die in Pfählen von einigen Metern oder Bohrungen bis zu einigen hundert Metern Tiefe in den Boden eingebracht werden. Das in den Rohren zirkulierende Wasser entzieht dem umgebenden Boden Wärme. Diese reicht jedoch nicht aus, um damit Strom zu produzieren. Dank der mit zunehmender Tiefe steigenden Temperaturen können tiefe Erdwärmeanlagen sowohl Strom als auch Wärme erzeugen. Jedes Erdwärme-Heizkraftwerk nutzt mindestens zwei Bohrungen, die in das gleiche unterirdische Reservoir führen.

Über eine Bohrung wird das heiße Thermalwasser an die Oberfläche befördert und über die zweite wieder ins Reservoir zurückgeführt. An der Oberfläche durchläuft das Wasser das Heizkraftwerk, in dem mit seiner Hilfe Wärme und Strom produziert werden. Das System aus Förderbohrung, Heizkraftwerk, Injektionsbohrung und Wasserreservoir bildet einen hydraulisch geschlossenen Kreislauf.

Strom- und Wärmegewinnung

Damit eine Erdwärmeanlage Strom und Wärme erzeugen kann, muss die Temperatur des Thermalwassers im Untergrund deutlich über 100 Grad Celsius liegen. In einer Tiefe zwischen drei und vier Kilometern sind am Oberrhein Temperaturen von 140 Grad Celsius und mehr zu erwarten.

Die tiefe Erdwärme nutzt diese Wärmevorkommen. Eine Förderbohrung nimmt das heiße Wasser im erschlossenen Reservoir auf und bringt es an die Oberfläche. Dort wird dem Wasser über einen Wärmetauscher Wärme entzogen, die ins Fernwärmenetz eingespeist werden kann.

Um Strom produzieren zu können, passiert das Wasser einen Sekundärkreislauf und erhitzt das darin befindliche Betriebsmittel, das einen deutlich niedrigeren Siedepunkt als Wasser hat. Der sich im Sekundärkreislauf bildende Dampf treibt die Turbine zur Stromerzeugung an.

Das abgekühlte Wasser wird über eine zweite Bohrung in einem geschlossenen Kreislauf wieder ins Reservoir zurückgeführt.

Einmal erschlossen, liefert Erdwärme zuverlässig über Jahrzehnte hinweg erneuerbaren Strom und Wärme, zeigt sich die Deutsche ErdWärme überzeugt. Und das rund um die Uhr und schwankungsfrei. Damit ist sie eine optimale Ergänzung zu den ebenfalls erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind.

Fokus Oberrhein

Erdwärme ist eine natürliche, klimafreundliche und nahezu unerschöpfliche Energieressource, die im Inneren der Erde gespeichert ist. Im Erdkern werden Temperaturen von bis über 5.000 Grad Celsius angenommen. Gerade einmal ein Tausendstel der Erdmasse, die obersten 3 Kilometer, sind kühler als 100 Grad Celsius.

In der Erdkruste, die durchschnittlich 30 Kilometer dick ist, nimmt die Temperatur pro 100 Metern Tiefe um etwa drei Grad zu. Im Oberrheingraben sind es etwa vier bis sieben Grad pro 100 Meter. Das macht ihn als Standort für Erdwärmeheizkraftwerke attraktiv.

Einige Oberzentren der Region wie Karlsruhe und Mannheim verfügen bereits über gut ausgebaute Fernwärmenetze, deren Breitenausbau durch die Erschließung erneuerbarer tiefer Erdwärme einen zusätzlichen Impuls erhalten könnte. Deshalb fokussiert die Deutsche ErdWärme GmbH ihre Aktivitäten auf diese Region.

Eine typische Anlage, wie sie derzeit von Deutsche ErdWärme am Oberrhein geplant wird, erzeugt ca. 40 Megawatt thermische Energie (Wärme) beziehungsweise bis zu 8 MW Strom.

Fokus Oberrhein
So könnte eine von der Deutschen ErdWärme geplante Anlage aussehen. | Rendering: SCG Architekten

Ausgehend von 8.000 Volllaststunden pro Jahr können so 10.000 Haushalte mit Strom und Wärme oder 20.000 Haushalte ausschließlich mit Strom versorgt werden. Auf diese Weise können jährlich zwischen 14.000 (bei reiner Stromerzeugung) und 50.000 Tonnen CO₂ (bei kombinierter Strom- und Wärmeerzeugung) eingespart werden.

Einsatz von Superduplex

Da es im Erdreich zu keinem Sauerstoffeintrag kommt und das CO2 aufgrund des hohen Drucks im Wasser gelöst bleibt, ist die Gefahr von Korrosion reduziert und nur in geringer Ausprägung zu erwarten. Daher kann für die Rohrsysteme im Untergrund Kohlenstoffstahl verwendet werden.

Für die Rohre oberhalb der Erdoberfläche ist dieser Stahl jedoch keine Option. Bei dem Projekt in Graben-Neudorf wird laut Aussage von Alexander Kuch voraussichtlich 1.4410 Edelstahl, auch bekannt als Superduplex-Stahl, zum Einsatz kommen. Im Folgenden werden die Gründe hierfür erläutert.

Graben-Neudorf ist das aktuell am weitesten fortgeschrittene Entwicklungsprojekt der Deutschen ErdWärme. Hier wurden Daten aus der seismischen 3D-Messung ausgewertet, die zeigen, dass es zwischen 3.500 und 3.700 Meter Tiefe ein attraktives Thermalwasserreservoir gibt. Die Zusammensetzung des Thermalwassers ist allerdings noch nicht bekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass das Wasser einen Salzgehalt von mehr als zehn Prozent hat. Damit ist es deutlich korrosiver als Meerwasser. Rohre mit Kontakt zum Thermalwasser müssen also über eine ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit verfügen. Der Werkstoff 1.4410 zeichnet sich hier durch eine ausgezeichnete Lochfraß- und Spaltkorrosionsbeständigkeit in chloridhaltigen Medien und in Seewasser aus.

Zudem hat das Thermalwasser einen hohen Mineraliengehalt und einen geringen pH-Wert. Klarer Vorteil von Edelstahl und damit auch Superduplex-Stahl gegenüber Carbonstahl ist die glatte Oberfläche. Die geringe Rauigkeit führt zu einer Reduzierung von Anbackungen, also Ablagerungen von Mineralien. Auch das im Thermalwasser enthaltene CO2 kann sich partiell lösen, chemisch mit den im Thermalwasser vorhandenen Mineralien reagieren und zu Ausfällungen führen. Diese haften aber an einer glatten Oberfläche nicht so gut an. Weniger Ablagerungen bedeuten letztlich einen geringeren Verschleiß und deutlich weniger Wartungsaufwand durch Reinigungsarbeiten.

Auch in Hinblick auf die erwarteten Temperaturen des Thermalwassers von 140°C und mehr punktet Superduplex-Stahl, denn der Werkstoff ist bis zu Temperaturen von 250°C verwendbar.

Ist die Erdwärmeanlage schließlich in Betrieb, wird sich der Austausch von Rohrstücken nicht vermeiden lassen, aber zumindest vermindern. Superduplex wird dazu aufgrund seiner Eigenschaften seinen Teil beitragen.

Über die Deutsche ErdWärme

Die Deutsche ErdWärme ist ein privater Entwickler und Betreiber von Erdwärmeanlagen. Sie plant und baut Erdwärmeanlagen, die sie selbst betreiben wird. Spezialisiert ist das Unternehmen auf tiefe Erdwärme. Bis 2025 möchte die Deutsche Erdwärme an mehreren Standorten am Oberrhein aus Erdwärme erneuerbaren Strom und Wärme gewinnen. Das Unternehmen ist seit 2015 am Standort Karlsruhe tätig.

Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.