Wasser aus der Tiefe des Oberrheingrabens lässt sich zur Wärme- und Stromgewinnung nutzen, ähnliche mineralreiche Wässer sind aber auch grundlegend für die Bildung von Erzvorkommen in der Region. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersuchen den Energie- und Stofftransport im Grabenbruchsystem, um die Bildung von Erzlagerstätten und das Entstehen unerwünschter mineralischer Ablagerungen in Geothermiekraftwerken exemplarisch zu verstehen.

Anhand von Geothermalwässern, Ablagerungen in Rohren in Geothermiekraftwerken sowie Erzproben und Sintern aus dem Schwarzwald und dem Kraichgau erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heutige und fossile Energie- und Stoffströme in tieferen Schichten des Oberrheingrabens. Sie betrachten dafür die physikochemischen Eigenschaften des Wassers, messen dessen pH-Wert und Temperatur und untersuchen, ob es oxidiert oder reduziert ist. Zudem ermitteln sie seine Haupt- und Spurenbestandteile sowie seine isotopische Zusammensetzung. „Einige der Parameter nutzen wir, um zu verstehen, wo das Fluid – das neben Wasser als Hauptkomponente rund 100 bis 130 Gramm gelöste Feststoffe pro Liter enthält – herkommt, welchen Weg es genommen hat, und mit welchen Gesteinen die Fluide reagiert haben“, erläutert Professor Jochen Kolb, Lehrstuhlinhaber für Geochemie und Lagerstättenkunde am Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Vorhaben drei Jahre lang durch die Finanzierung einer Doktorandenstelle und mit Sachmitteln.

„Wir wissen aus bisherigen Untersuchungen, dass im Jura ähnliche Fluide wie jetzt im Oberrheingraben vorhanden waren, und versuchen zu verstehen, ob in den hydrothermalen Systemen noch dieselben Prozesse ablaufen wie vor zirka 180 Millionen Jahren“, erläutert Kolb. „Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse werden sich alle ähnlichen Systeme mit dem Oberrheingraben vergleichen lassen“, so der Geologe.

Außerdem wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genaueren Aufschluss darüber bekommen, wodurch die – Scalings genannten – unerwünschten Mineralanlagerungen an Rohren von Geothermieanlagen entstehen und wie sie sich verhindern lassen. Wegen der Ausfällungen und der Korrosion müssen die Rohre der Geothermiekraftwerke regelmäßig gewartet und ausgetauscht werden.

Technologiemetalle für Energie- und Mobilitätswende

Auch für die Rohstoffgewinnung der Zukunft ist das Verständnis der unterirdischen Wärme- und Stoffströme entscheidend. „Wir wollen der Industrie Methoden zum Einschätzen des gegenwärtigen Potenzials von Lagerstätten an die Hand geben“, sagt Kolb. Sie könnten dazu beitragen, für die Energie- und Mobilitätswende wichtige Rohstoffe wie Germanium, Gallium, Lithium, Indium, Cadmium oder Kobalt zu finden, die im Moment zu 100 Prozent importiert werden. „Das oberrheinische Thermalwasser enthält relativ viel Lithium, seine Gewinnung würde der Geothermie einen zusätzlichen Nutzen geben“, so Kolb.

Die Forschenden wollen anhand von Gesteins- und Fluidproben nachvollziehen, woher die jeweiligen Metalle stammen und wie groß die Ressource der begehrten Technologiemetalle im Oberrheingraben ist. Die Forschung am AGW ist in den Think Tank „Industrielle Ressourcenstrategien“ am KIT eingebunden, der vom Land Baden-Württemberg und Industriepartnern unterstützt wird.

Möglichkeiten künftiger Rohstoffgewinnung durch das Betrachten hydrothermaler Systeme, die in der Erdgeschichte aktiv waren, stehen auch im Fokus von vier weiteren Forschungsprojekten des AGW, die die DFG mit Doktorandenstellen sowie Reise- und Sachkosten fördert. In Namibia und Südafrika erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler exemplarisch Lagerstätten von Seltenen Erden, und innerhalb des DFG-Schwerpunktprogramms „Dynamics of Ore Metals Enrichment – DOME“ betrachten sie die Entstehung von magmatischen Titan- und Zirkonerzen am Beispiel von Lagerstätten in Grönland und Russland sowie die Mobilität von Gold und anderen Metallen in Fluiden im Zusammenhang mit dem aktiven Vulkanismus des griechischen Archipels Santorini. Die DFG fördert die insgesamt fünf Projekte mit rund einer Million Euro.

Quelle: KIT

Foto: analogicus|pixabay

Vorheriger ArtikelTMKs Seversky installiert CONDRIVE-Oszillationstechnolo
Nächster ArtikelZhejiang Baoren Hezhong erweitert Kapazitäten
Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.