Seit über zwei Monaten läuft der erfolgreiche Probebetrieb der ersten horizontalen sechsdüsigen Peltonmaschine im Wasserkraftwerk Gerlos 1 im Tiroler Zillertal und setzt neue Maßstäbe. Darüber informierte nun aktuell Voith Hydro.
Bei der Peltonturbine, die sich besonders für Anlagen mit großen Fallhöhen eignet, wird das Triebwasser in einem Strahl mit sehr hoher Geschwindigkeit aus einer oder mehreren Düsen auf die Becher des Laufrads gelenkt. Peltonturbinen mit mehr als drei Düsen wurden bisher stets mit vertikaler Welle ausgeführt. Hauptgrund hierfür sei gewesen, dass damit bislang ein höheres Wirkungsgradniveau als bei horizontaler Anordnung erreicht werden konnte. Voith Hydro habe diesen Nachteil nun erfolgreich ausgeräumt – wie jetzt im Kraftwerk Gerlos 1 unter Beweis gestellt worden sei. Hier werde erstmalig ein vergleichbarer Wirkungsgrad zur vertikalen Anordnung erreicht. Dabei wurden laut Presseinformation die bisherigen vier vertikalen Peltonturbinen erfolgreich durch eine sechsdüsige horizontale Peltonmaschine ersetzt.
Anwendungsfälle
Neben diesem Anwendungsfall sei die Technologie besonders für Modernisierungen bestehender Wasserkraftanlagen interessant bei denen bereits ein- oder zweidüsige horizontale Einheiten verbaut sind. Denn ein Austausch der Turbine ist laut Voith Hydro ohne größeren baulichen Aufwand möglich, was Baukosten und Umbauzeiten stark reduziert. Gleichzeitig bestehe enormes Potenzial den Wirkungsgrad zu steigern. Durch eine damit einhergehende, potenzielle Reduzierung der Maschinenanzahl, könne ebenso eine Senkung zukünftiger Wartungskosten erreicht werden. Auch bei Neuanlagen punkte die neue Entwicklung, da sie gegenüber herkömmlichen Lösungen mit kleinerem Aushub bzw. mit kleinerer Grundfläche und weniger Bauvolumen auskomme. Damit verbunden sei auch eine verkürzte Installationszeit, die die Gesamtinvestitionskosten deutlich reduziere.
Kontinuierliche Entwicklungsarbeit
Die Dauer des Zusammenwirkens von Wasserstrahl und den Bechern des Peltonlaufrads ist äußerst kurz und beträgt oft nur wenige Millisekunden. Aus diesem Grund sei die Strömungssimulation von Peltonturbinen bei weitem die komplexeste und schwierigste aller hydraulischen Turbomaschinensimulationen. Bei Voith Hydro seien die Methoden in den letzten Jahren so weiterentwickelt worden, dass beispielsweise auch die Gehäuseströmung untersucht werden kann. Dieser wichtige Fortschritt habe auch einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des neuen Konzepts geleistet.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat Voith Hydro laut eigener Aussage Tausende von Peltonturbinen unterschiedlichster Größe und Leistung in alle Welt geliefert. Am Konzept der mehrdüsigen horizontalen Peltoneinheiten forsche das Unternehmen in Deutschland bereits seit Jahren intensiv. Unter der Bezeichnung „HP3+“ seien die daraus hervorgehenden Entwicklungen aller horizontaler Peltonturbinen mit mehr als drei Düsen zusammengefasst.
Über Gerlos 1
Das Speicherkraftwerk wurde 1949 in Betrieb genommen und weist eine Jahreserzeugung von 326 GWh auf. Damit versorgt das Kraftwerk über 70.000 Vier-Personen-Haushalte mit erneuerbarer Energie.
Transport
Vor Inbetriebnahme der neuen Maschineneinheit habe bereits der spektakuläre Transport des Maschinengehäuses für Aufsehen gesorgt. Anfang April 2022 verließ dieser 54 Tonnen schwere Koloss das Werksgelände des österreichischen Voith Hydro Standorts in St. Pölten. Neben seinem Gewicht beeindruckten laut Presseinformation auch die Abmaße von knapp neun Metern Länge, über sechs Metern Breite und vier Metern Höhe. Die logistische Meisterleistung habe durch einen Schwertransport über ganze drei Nächte vollbracht werden können.