Im Spotlight: Aperam

Fotos: Aperam

Das Aperam-Service-Center in Haan – ein Neubau mit Symbolkraft

Edelstahl drin – Edelstahl dran: Wer sich dem neuen Aperam-Service-Center im nordrhein-westfälischen Haan nähert, erkennt sogleich, um welchen Werkstoff es hier geht. Der noch junge Gebäudekomplex ist rundum mit Edelstahl bekleidet. Das selbstbewusste architektonische Statement ist auch Ausdruck einer Erfolgsgeschichte. Seit nunmehr zehn Jahren firmiert der Konzern unter dem Namen Aperam. Seither hat er seine Stellung auf dem deutschen Markt weiter ausgebaut. Und für die nächsten Jahre hat das Unternehmen noch viel vor.

Das Wachstum hatte das alte Service-Center in Duisburg an seine Kapazitätsgrenzen gebracht. Ein Neubau stand an. „Eine einfache maßstäbliche Vergrößerung des Service-Betriebs wäre keine zukunftsorientierte Lösung gewesen. Unser Ziel war es vielmehr, eine ‚Smart Factory‘ mit den höchsten Sicherheitsstandards zu bauen“, erläutert Axel Krüßmann, CEO von Aperam Services and Solutions Germany. „Der Ehrgeiz lag nicht darin, das größte Edelstahl-Service-Center Europas zu errichten, sondern das cleverste“.

Kernelemente des Komplexes sind zwei Querteilanlagen und ein vollautomatisches Hochregallager. Hier sind die Transportvorgänge weitgehend automatisiert. Das fängt bereits bei der LKW-Entladung an, die ein Kran autonom erledigt. Rechnergesteuert werden die Querteilanlagen mit Coils bestückt und die abgelängten Bleche in Kassetten abgestapelt. Roboter legen sie in den Hochregalen ab und sorgen auch dafür, dass Entnahme, Palettierung und Verpackung wie von Geisterhand vonstattengehen − fehlerfrei und produktschonend.

Wichtige Verbrauchssegmente liegen im Tank-, Maschinen- und Anlagenbau. Von Haan gehen die konfektionierten Halbzeuge auch auf den Weg nach Österreich, in die Schweiz und nach Skandinavien. Auch für weiteres Wachstum ist das neue Service-Center gerüstet.

Axel Krüßmann, CEO | Head of Europe North Region.

Nahtlose Qualitätssicherung von der Erschmelzung bis zur Auslieferung

„Ein werksgebundenes Service-Center zu sein, verschafft uns Vorteile – strategisch, qualitativ und logistisch – von denen unsere Kunden profitieren“, ist Krüßmann überzeugt. Denn Edelstahl ist keineswegs ein austauschbares Massenprodukt, sondern ein technologisch höchst anspruchsvolles Erzeugnis.

Was der Anwender geliefert bekommt, ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Produktionsschritte. Bleche und Coils, die ein Aperam-Service-Center verlassen, sind von der Erschmelzung über das Gießen der Brammen, das Walzen von Grob- und Feinblech bis hin zur Wärmebehandlung und abschließenden Oberflächenbehandlung in einheitlicher Verantwortung entstanden. Die Ergebnissicherheit dieser Kette wissen die Kunden in einem anspruchsvollen Markt wie Deutschland zu schätzen.

So müssen zum Beispiel bestimmte Legierungselemente mit einer Genauigkeit von wenigen hundertstel Prozent dosiert werden. Die Temperaturführung ist speziell bei Duplex-Sorten komplex und hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Produktqualität.

„Edelstahl herzustellen, ist nicht nur ein ingenieurtechnischer Prozess, der sich mit Lehrbüchern vermitteln lässt, sondern erfordert auch umfangreiches Erfahrungswissen“, gibt Krüßmann zu bedenken. Was Aperam an Kenntnisreichtum und Sorgfalt in die Edelstahlproduktion investiert, schlägt sich bei den Kunden der Aperam-Service-Center in Ergebnissicherheit und Wirtschaftlichkeit der Fertigung nieder.

Hinter dem Qualitätskonzept von Aperam steht auch das Forschungs- und Entwicklungszentrum im nordfranzösischen Isbergues. In der Ausstattung mit Geräten und Personal gehört es zu den führenden Einrichtungen ihrer Art weltweit, darüber hinaus ist es mit akademischen und nicht-universitären Forschungseinrichtungen eng vernetzt.

F&E zum Nutzen des Anwenders

Wie die Kunden der Aperam-Service-Center von der Innovationskraft des Produzenten Aperam profitieren können, hat sich in den letzten Jahren auch bei der Weiterentwicklung der Duplex-Stähle gezeigt. Der Zwang zu Kosteneffizienz beförderte ihr Vordringen in immer neue Anwendungsbereiche. Erratische Preisschwankungen bei Nickel weckten bereits in den 2000er Jahren das Interesse an Sorten mit austenitisch-ferritischem Mischgefüge. Trotz ihres geringen Nickelgehalts sind sie hoch korrosionsbeständig und weisen herausragende Festigkeitseigenschaften auf. Dadurch lassen sich konstruktiv auch Blechdicken vermindern, was die Wirtschaftlichkeit weiter erhöht. Auch heute sind steigende Rohstoffpreise wieder ein drängendes Thema, zumal da die Batteriefertigung für Elektrofahrzeuge die Nachfrage nach Nickel zusätzlich beflügelt.

Das vollautomatische Hochregallager: Entnahme, Palettierung und Verpackung wie von Geisterhand.

Bei den Duplexstählen hat sich Aperam einen Namen gemacht. Das Aperam-Portfolio deckt die gesamte Bandbreite vom Super-Duplex-Stahl DX2507 bis zur Aperam-eigenen Magerduplex-Sorte DX2202 ab. Ebenso wie die austenitischen Sorten sind auch Duplex-Stähle in Breiten bis zu 2 m verfügbar. Diese Abmessung mobilisiert insbesondere im Tankbau erhebliche Einsparungspotentiale, denn breitere Bleche bedeuten weniger Schweißnähte.

Das Aperam-Team zusammen mit dem CEO von „ResponsibleSteel“ und dem AFNOR-Auditor. Fotos: Aperam

Nachhaltigkeit als Wirtschaftsfaktor

Die Forderung nach Nachhaltigkeit ist nicht nur ideell begründet, sondern stellt zunehmend einen handfesten Wirtschaftsfaktor dar. Die Entwicklung der Energiepreise in Europa macht die Nutzung von Sonnen- und Windenergie wirtschaftlich. 2017 ging am belgischen Standort Genk eine Windkraftanlage in Betrieb, deren Energieertrag bei durchschnittlich mehr als 20.000 MWh pro Jahr liegt – das entspricht dem Bedarf von rund 5.900 Haushalten. Beginnend 2018 im belgischen Châtelet, tragen zunehmend auch im französischen Isbergues und wiederum in Genk großflächige Solaranlagen zur Eigenversorgung des jeweiligen Werks mit Elektrizität bei.

Als weltweit tätiger Konzern zeigt Aperam auch anderswo, wie Ökologie und Ökonomie zusammengehen. Während Aperam in Europa nichtrostende Stähle zu rund 90 % aus Recyclingstahl im Lichtbogen-Ofen erschmilzt, wird im brasilianischen Werk in Timóteo auch Stahl aus Erz gewonnen. Dabei wird Koks durch Holzkohle ersetzt, die aus FSC-zertifizierter Waldbewirtschaftung stammt. Ende September wurde Aperam als erster Edelstahlhersteller im Rahmen des ResponsibleSteelTM-Programms zertifiziert. Unter den Aufgaben, die diese Initiative für sich formuliert hat, steht an erster Stelle, „die Kunden bei der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen“. Auch der Umweltgedanke wird daher vom Kunden her gedacht.

Logischer Vorteil in der Logistik

In den vergangenen Monaten hat sich der weltweite Warenverkehr erschwert und verteuert, räumliche Nähe zwischen Hersteller und Verbraucher ist als Standortvorteil wichtiger geworden. Die europäischen Aperam Service-Center werden von den europäischen Werken bedient. Erschmolzen und warmgewalzt werden die nichtrostenden Aperam-Stähle in Belgien, kaltgewalzt in Frankreich und Belgien. Von diesen europäischen Produktionsstätten aus sind die deutschen Service-Center binnen eines Tages auf dem Landweg zu erreichen. Kurze Wege bedeuten ein Plus an Versorgungssicherheit – gerade in Zeiten störanfälliger Lieferketten.

An den Standorten Haan und Sersheim verfügt Aperam in Deutschland über zwei Service-Center, die strategisch günstig in Clustern der Edelstahlverarbeitung angesiedelt sind. Die nordrhein-westfälische und die baden-württembergische Niederlassung ergänzen sich sowohl hinsichtlich der regionalen Abdeckung als auch des Sortiments.

Automatisierte Transportvorgänge, wie der autonom arbeitende Kran, sind Kernelemente des Neubaus in Haan.

Hier stehen vor allem die Automobil-Zulieferindustrie, Hersteller von Hausgeräten und Catering-Equipment im Vordergrund, ebenso Anwendungen mit besonderen Anforderungen an die Oberflächen wie z. B. das Bauwesen. Das Service-Center Haan mit seinen zwei Querteilanlagen deckt den Dickenbereich 0,5 mm bis 12 mm und Breiten bis zu 2 m ab. In Sersheim liegt der Schwerpunkt bei den dünneren Abmessungen (0,4 mm bis 4,0 mm), ferner wird hier zusätzlich längs geteilt und geschliffen. Auch das Geschäft mit Ferriten ist in der schwäbischen Niederlassung angesiedelt.

Die hochglänzende Edelstahlfassade des Centers in Haan besteht aus blankgeglühtem nichtrostenden Stahl (Uginox Bright). „Die Edelstahlfassade aus diesem Werkstoff steht für unseren Selbstanspruch“, meint Axel Krüßmann augenzwinkernd, „schließlich wollen wir durch Innovation beständig glänzen“.

Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

Über den Artikel der Woche

Jede Woche beleuchten wir im Artikel der Woche ein spannendes Thema für die Edelstahlbranche. Weitere Artikel finden Sie auch in unserer Zeitschrift Edelstahl Aktuell. Um diese und viele weitere Artikel (fast) monatlich zu lesen, abonnieren Sie unsere Zeitschrift (erhältlich in Print und digital).

Möchten Sie als Autor mitwirken? Bitte kontaktieren Sie Catrin Senger.

Jede Woche teilen wir einen neuen Artikel mit unserer Edelstahl Community. Machen Sie mit und lassen Sie uns Ihren Artikel auf Edelstahl Aktuell online und in gedruckter Form veröffentlichen.

Alle Bilder wurden vor der COVID-19-Pandemie bzw. unter Einhaltung der Abstandsregeln aufgenommen.

Vorheriger ArtikelNeues Onlineportal für Stahl- und Edelstahlhandel
Nächster ArtikelAndritz liefert Faserstoffaufbereitungssystem
Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.