Navoiy Salpetersäureanlage in Usbekistan

Fotos: Elyor Nermatov

Salpetersäure: Für Schulkinder keine Unbekannte, ist sie doch eine der wichtigsten Mineralsäuren, die für die Durchführung einer Vielzahl von Experimenten erforderlich ist. Für die Industrie ist Salpetersäure eine Schlüsselverbindung in der Produktionskette von Chemikalien und Düngemitteln wie Harnstoff, Nitrate und Phosphate.

Ein Beitrag von David Sear

Die weltweite Nachfrage nach Düngemitteln – und demzufolge Salpetersäure – steigt, das ist unbestritten. Angetrieben wird sie durch Faktoren wie das Bevölkerungswachstum, die Ernährungsumstellung in bestimmten Schwellenländern, die Verringerung von verfügbarem Kulturboden, die steigende Nachfrage nach pflanzlichem Biokraftstoff, etc. Das erklärt, warum Länder wie Usbekistan – bekannt sowohl für seine Baumwollproduktion als auch für seine umfangreiche Chemieindustrie – ein großes Interesse an Investitionen lpetersäureanlagen haben. Auch Usbekistans größtes Chemieunternehmen JSC Navoiyazot entschied sich für den Bau einer brandneuen Großanlage für Salpetersäure und beauftragte das Schweizer Unternehmen Casale mit der Realisierung des EPC-TurnkeyProjekts. Die neue Anlage mit einem Investitionsvolumen von rund 183 Millionen Euro, produziert jährlich 500,000 Tonnen Salpetersäure. Die Anlage zeichnet sich durch einen geringen Energieverbrauch und niedrige Emissionen aus. Ein zusätzlicher erfreulicher Nebeneffekt ist die Schaffung von rund 120 neuen Arbeitsplätzen.

Der Absorptionsturm mit einem Durchmesser von fünf Metern ist vollständig aus Edelstahl gefertigt. | Foto: Elyor Nermatov

Technische Besonderheiten

Flavio Pedon ist Maschinenbauingenieur und verantwortete bei diesem Projekt für Casale die Konstruktion der firmeneigenen und Schlüsselausrüstung sowie die technische Überwachung der Fertigung. Er erläutert die technischen Besonderheiten der Navoiy Salpetersäureanlage. „Dies ist bereits die vierte Großanlage für Salpetersäure, die wir mit unserer NA2000 Doppeldrucktechnologie gebaut haben. Entwickelt wurde sie speziell für Energieeffizienz und niedrige Emissionen. Unsere Technologie war perfekt auf die Anforderungen des Kunden zugeschnitten, den Verbrauch von Ammoniak, das zur Herstellung einer Tonne Salpetersäure benötigt wird, zu senken und mehr Wasserdampf zu erzeugen.

Um nur einige Zahlen zu nennen: Die Anlage benötigt lediglich 280 kg Ammoniak für die Produktion einer Tonne Salpetersäure. Das liegt unter dem für diese Anlage geplanten Verbrauch von 283 kg pro Tonne. Darüber hinaus hat diese Technologie zu einem Rückgang der Stickstoff-, Distickstoffmonoxid- und Ammoniakemissionen geführt und trägt zu einem sichereren Betrieb bei.“

Einsatz von Edelstahl

Pedon erklärt, dass AISI 304L (1.4306) Edelstahl die wahrscheinlich meistgenutzte Legierung für den Bau von Salpetersäureanlagen weltweit ist. „304L wurde in der gesamten Navoiy Anlage für Komponenten wie Rohrleitungen, Kanäle, Druckbehälter, Wärmetauscher, Reaktoren, Einbauten, etc. verwendet. Die Anlage nutzt sämtliche Produktformen wie Bleche, Rohre, Schläuche, Schmiedestücke, Gussstücke und mehr.“ Zusätzlich zu 304L kann man bei Navoiy aber auch anderen Legierungen begegnen, wie beispielsweise Titan Grade 2 sowie Edelstahl 321 (1.4541), 310L NAG – (1.4355) und 304LN (1.4311).

Pedon führt aus, dass ihre Verwendung durch die vorherrschenden Korrosionsbedingungen in bestimmten Bereichen vogegeben ist. „Titan Grade 2 wird typischerweise in einigen kritischen Wärmetauschern verwendet, angesichts der hohen Korrosionsbelastung allerdings in der Regel nur auf der Rohrseite.

Wann immer mehr Festigkeit bei hohen Temperaturen erforderlich ist, wird 321 anstelle von 304L in Einbauten und Druckbehältern verwendet. 310L NAG wird üblicherweise in einigen kritischen Wärmetauschern und Reaktoren bei einer Hochkorrosionsumgebung verwendet. Und 304LN schließlich kann als Alternative zu 304L verwendet werden, wenn zusätzliche Festigkeit erforderlich ist, wie etwa bei großen Kolonnen.“

Erfolgreiche Inbetriebnahme trotz Covid

Baubeginn der neuen Anlage in Navoiy war im Jahr 2018. Der Zeitplan sah die Inbetriebnahme für Juni 2020 vor. Als sich das Ausmaß der Corona-Pandemie Anfang 2020 deutlich abzeichnete, wurden von allen Beteiligten schnelle Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass das Projekt ordnungsgemäß abgeschlossen wird, ohne die Sicherheit zu gefährden. Nicht notwendiges Personal wurde von der Baustelle abgezogen, wobei sich die Ingenieurteams in den Casale-Niederlassungen in der Schweiz und in der Tschechischen Republik schnell umgestellt haben.

„Wir haben das Internet effektiv genutzt, um das Projekt auf Kurs zu halten, was für ein Projekt dieses Umfangs und dieser Größe ziemlich einmalig war. Unsere wichtigsten Lieferanten aus Ländern wie Deutschland, Italien und Spanien haben sich uns online angeschlossen. Ich glaube, es ist der Verdienst aller, dass die Anlage in Navoiy sicher und erfolgreich aus der Ferne in Betrieb genommen werden konnte“, schließt Flavio Pedon.

Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

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Alle Bilder wurden vor der COVID-19-Pandemie bzw. unter Einhaltung der Abstandsregeln aufgenommen.

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Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.