voestalpine Böhler Aerospace: KI optimiert Fertigung

Bild: voestalpine

Neue Simulationsmodelle des Grazer Forschungszentrums Know-Center sollen bei voestalpine Böhler Aerospace für Zeit- und Kostenersparnisse sorgen.

Die hochqualitativen Flugzeugkomponenten von voestalpine Böhler Aerospace unterlaufen einer komplexen Herstellungs- und Prozesskette, ist die Fertigung in der Flugzeugindustrie doch eine der genauesten der Welt. Sicherheitskritische Bauteile wie Gesenkschmiedeteile aus hochlegierten Stählen, Titan- und Nickelbasis-Legierungen unterliegen sehr strengen Sicherheits- und Qualitätskriterien. Reibungslose Fertigungsprozesse sind bei voestalpine Böhler Aerospace daher oberste Prämisse. Speziell in der Luftfahrt sei ein eng definiertes Prozessfenster einzuhalten, um die spezifizierten Toleranzen und mechanischen Eigenschaften sicherzustellen, informiert voestalpine.

Trotzdem kann es zu Abweichungen von den in der Produktentwicklung definierten technischen Parametern kommen. Betroffene Bauteile müssen dann entweder als abweichend deklariert, nachbearbeitet oder verschrottet werden. Dies führt nach Unternehmensangaben zu einer erhöhten Kosten- und Energieintensivität, belastet die Umwelt und beansprucht Zeit.

BrAIN-Projekt

Im Projekt BrAIN haben sich voestalpine Böhler Aerospace, das Know-Center, das Linz Institute of Technology Cyber-Physcial Systems Lab der Johannes Kepler Universität Linz und die evon GmbH zusammengetan, um Interaktionsmuster zwischen einzelnen Prozessschritten in der Fertigungs- und Produktionsindustrie zu analysieren und zu verstehen. Ziel ist die Entwicklung eines selbstlernenden Algorithmus, der es Prozessexperten ermöglicht, die Parameter der Fertigungsprozesse innerhalb vordefinierter Toleranzgrenzen zu verändern. Er soll die Experten bei der Entscheidungsfindung sowie bei Optimierungsmaßnahmen unterstützen, indem es zum Beispiel Vorschläge zur Maschineneinstellung gibt.

Dies soll zu einem ressourceneffizienten Schmiedeprozess mit höchster Produktqualität und geringstem Ausschuss und Nacharbeit führen. Ein selbstlernendes KI-System, das aus Prozessdaten, Testdaten (Bauteilprüfung), Simulationsdaten und Benutzerrückmeldungen lerne, könne dabei helfen, einen Optimalprozess auszulegen. Erzielt werde damit eine ressourcenschonende Produktion mit ausgezeichneter Bauteilqualität bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung. Auf der BrAIN-Webseite ist nachzulesen, dass der aus dem Projekt zu erwartende Mehrwert eine langfristige (5 bis 10 Jahre) Effizienzsteigerung von 20 bis 30 Prozent sei. Es sei mit jährlichen Einsparungen im zweistelligen GWh-Bereich sowie von 3.000 Tonnen CO2-Äquivalent zu rechnen.

Abschied von numerischen Simulationsmodellen

Um Produktionsprozesse zu simulieren, werden üblicherweise numerische Simulationsmodelle eingesetzt. Im Bereich der Schmiedeindustrie benötigen numerische Simulationen aufgrund ihrer Komplexität oftmals bis zu einer Woche Rechenzeit. Für eine Ersparnis von Zeit und der damit verbundenen Kosten brauche es also neueste High-Tech Ansätze. „Mit hybriden Simulationsmodellen, einer Kombination aus Machine Learning- und numerischen Modellen, können wir Simulationen im Bruchteil einer Sekunde durchführen“, erklärt Ass. Roman Kern, Leiter der Area Knowledge Discovery am Know-Center. „Darüber hinaus beschränken sich die eingesetzten Data Science- und Machine Learning-Methoden nicht nur auf Berechnungen von Vorhersagen, sondern können auch aktiv Entscheidungsvorschläge abgeben.“ Kern rechnet damit, dass die entwickelten Modelle in der Lage sein werden, den Produktionsprozess in seiner Gesamtheit abzubilden und nicht nur einzelne Prozessschritte zu analysieren.

Einsatz bei voestalpine Böhler Aerospace

Künftig sollen Daten während des gesamten Produktionsprozesses gesammelt und mittels Statistik und intelligenten Systemen für einen Abgleich der Produktionsdaten mit den Simulationsdaten analysiert werden. Auf Basis der durchgeführten Analysen werden den Anwendern Anpassungen der Produktionsparameter vorgeschlagen, um künftig Fehler zu vermeiden.

Die entwickelten Methoden könnten in jeder Branche eingesetzt werden, in der Sensordaten vorhanden sind und numerische Simulationen durchgeführt werden.

Catrin Senger
Catrin ist Redakteurin bei Edelstahl Aktuell. Stahl zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben. Sie hat eine Ausbildung bei einem Großhändler für Rohr- und Rohrzubehör absolviert und in verschiedenen Funktionen bei einem Hersteller und Lieferanten von Analysegeräten für die Metallindustrie gearbeitet.

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